01 - Nacht der Verzückung
an
sich, was seine Habgier wecken könnte. Aber ich werde jeden seiner zukünftigen
Versuche, sich näher mit ihr bekannt zu machen, zu unterbinden wissen.«
»Ich
danke dir«, sagte er. »Halte sie von ihm fern, Elizabeth.«
Sie
runzelte plötzlich die Stirn und sah ihn genau an, den Kopf zur Seite geneigt.
Sie versuchte ihren aufkeimenden Gefühlen keine Beachtung zu schenken.
Eifersucht? »Worin besteht dein besonderes Interesse an Lily?«, fragte sie.
Er
antwortete nicht mit Worten. Er tat etwas, was er in ihrer langjährigen, engen
Bindung noch nie getan hatte. Er beugte sich zu ihr und küsste sie stürmisch
auf den Mund.
»Das
muss der letzte Tanz vor dem Abendessen sein«, sagte er, »deshalb ist es hier
so leer. Sollten wir nicht beizeiten in den Speisesaal gehen?«
Elizabeth
bemühte sich, ihre Gedanken wieder zu ordnen, als sie seinen Arm nahm. Sie
fühlte sich, dachte sie voller Selbstironie, wie ein junges Mädchen, das gerade
frisch aus der Schule kam und zum ersten Mal geküsst worden war - atemlos
und mit weichen Knien und begierig auf mehr. Und natürlich hoffnungslos
verliebt. Für gewöhnlich war sie diszipliniert genug, diese Tatsache auch vor
sich selbst zu verbergen.
***
Es war ein
langsamer und feierlicher Bauerntanz, an dem sie teilnahmen. Da sie einige Male
umeinander herum tanzen oder sich an den Händen halten mussten, gab es
Gelegenheit für ein wenig Unterhaltung. Aber Neville machte davon keinen
Gebrauch und auch Lily machte ihrerseits keinen Versuch, mit ihm zu reden,
obwohl sie die ganze Zeit über lächelte. Kurze Gesprächsfetzen konnten nur
triviale Themen behandeln. Außerdem hätte unter diesen Umständen jede
Unterhaltung belauscht werden können. Sie tanzten schweigend.
Er
wusste, dass sie beobachtet wurden. Er wusste, dass jeder Blick, jede Geste,
jede Berührung und jedes Wort bemerkt und morgen in zahlreichen Salons
kommentiert und jeder Kleinigkeit eine besondere Bedeutung angedichtet werden
würde. Es war ihm gleichgültig.
Sie
tanzte leichtfüßig und graziös. Sie hielt sich stolz und elegant. Sie sah so
aus, als hätte sie schon immer in eine solche Umgebung gehört. Sie war eine
Schönheit, ein Diamant reinsten Wassers. Er konnte - er wollte -
seine Augen nicht von ihr nehmen.
Er war
mit Hoffnungen nach London gekommen, auch wenn es sorgenvolle Hoffnungen waren.
Er hatte erwartet, sie unglücklich vorzufinden. Er hatte gehofft, sie -
sowohl im übertragenen als auch vielleicht im wörtlichen Sinn - in die
Arme schließen und ihr versichern zu können, dass er sie für den Rest seines
Lebens beschützen würde, selbst wenn sie ihn nicht heiratete. Und jetzt sah sie
aus, als gehörte sie in Lady Ashtons Ballsaal. Sie wirkte ausgeglichen und
entspannt.
Er fühlte
sich fast so, als sehe er sie zum ersten Mal. Sie hatte das Gewicht wieder
zugenommen, das sie vor ihrer Ankunft auf Newbury verloren hatte und das sie
dort nie zugenommen hätte. Sie war immer noch zart und schlank, aber ihr Körper
zeigte jetzt gefällige, verlockende Kurven. Es gab keine Spuren mehr von dem
fohlenhaften, sorglosen Mädchen, an das er sich so gut erinnerte. Und auch
keine Spuren mehr von der schönen, mehr oder weniger hageren Frau, die in die
Kirche von Newbury getreten war. Sie sah jetzt aus wie ...
Es gab
keine Worte, sie zu beschreiben. Sie war die Weiblichkeit in Person. Nein, zu
schwach. Sie war alles, was er je gewollt hatte, was er je wollen konnte. Nicht
nur eine Kameradin, eine Gattin, eine Seelengefährtin. Sie war das, wonach sich
sein Körper sehnte. Sie war - sie war eine Frau.
Wenn
dies ein Walzer wäre, dachte er mit Bedauern, würde er sie in Richtung der
doppelflügligen Türen manövrieren, mit ihr hindurchwirbeln, mit ihr ins Dunkel
hinter dem Kerzenlicht tanzen und sie beide um den Verstand küssen.
Es war
kein Walzer. Sie tanzten aufeinander zu, bewegten sich Rücken an Rücken
umeinander herum und kehrten zu ihren jeweiligen Positionen zurück, ohne sich
zu berühren, obwohl er spürte, wie sich ihre Körperwärme wie eine warme Decke
um ihn schmiegte. Sie behielt das Lächeln bei, das sie von Anfang an getragen
hatte, aber er sah ihre Augen vor Zuneigung erglühen.
Gott
sei Dank war es kein Walzer. Ihre Augen lächelten, sonst nichts. Die Ehre
gebot, dass er nicht einmal versuchte, sie ohne ihre volle und freiwillige
Zustimmung für sich zu gewinnen.
Ah,
Lily.
Als
sich der Tanz dem Ende neigte, erkannte Neville, dass es der letzte Tanz vor
dem Abendessen
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