Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
Vom Netzwerk:
vor. »Der Kamin dort ist
an. Es ist ziemlich kühl für einen Sommertag, nicht wahr? Und feucht noch dazu.«
    Lilys
Augen wanderten zum Salonfenster. Es war in der Tat ein grauer,
wolkenverhangener Tag. Auf dem Glas waren Regentropfen zu sehen, obwohl es im
Augenblick anscheinend nicht regnete. Sie erinnerte sich, dass das Wetter sie
schon den ganzen Morgen deprimiert hatte. Dennoch war sie der Überzeugung, dass
an diesem Nachmittag die Sonne geschienen hatte. Sie hatte sich geirrt.
    ***
    Elizabeth hatte
Neville gegenüber immer unumwunden erklärt, dass er ihr Lieblingsneffe war. Sie
wünschte sich, ihn glücklich zu sehen, das wusste er. Dennoch würde sie Lily
nicht drängen, zu ihm zurückzukehren. Dafür war sie viel zu integer. Sie wollte
Lily die Gelegenheit geben, sich Fähigkeiten anzueignen und Selbstvertrauen zu
gewinnen, damit sie ihre Zukunft selbst bestimmen konnte. Wenn Lily sich
entschloss, ihn zu heiraten, wäre Elizabeth hoch erfreut. Wenn sie sich
anderweitig entschied, würde Elizabeth sie unterstützen.
    Wenn
zwei Frauen sich zusammentaten, dachte Neville traurig, waren sie so leicht zu
bewegen wie der Fels von Gibraltar.
    Liebend
gern wollte er mit Lily zu einem Juwelier gehen. Er wusste, dass ihr das
Medaillon viel bedeutete, und wollte helfen, es richten zu lassen, damit sie es
wieder tragen konnte. Das war sein Hauptbeweggrund, da war er sich völlig
sicher. Aber natürlich war da auch die Aussicht, bei diesem Ausflug einige Zeit
mit Lily zu verbringen.
    Doch am
nächsten Tag würde es völlig unmöglich sein, teilte ihm Elizabeth während des
Tees mit. Lily würde den ganzen Morgen mit Unterrichtsstunden beschäftigt sein
und am Nachmittag stand das Gartenfest bei Fogles auf dem Programm. Dazu würde
sie Lilys Begleitung benötigen. Und am darauf folgenden Tag gab es morgens
Unterricht und am Nachmittag eine Tanzstunde. Außerdem war es genau der
Wochentag, an dem Elizabeth für gewöhnlich zu Hause blieb, um Besuch zu empfangen,
und in dieser Woche wollte sie Lily gern zur Seite haben, damit sie ihr bei der
Bewirtung der Gäste half.
    Da
Neville keine Einladung zum Gartenfest erhalten hatte, konnte er nichts anderes
tun, als Elizabeth am Tag danach einen Besuch abzustatten und Tee trinkend und
plaudernd mit einer Gruppe von Besuchern im Salon zu sitzen, wo Lily nicht
anwesend war. Erst am nächsten Nachmittag hatte sie endlich Zeit, mit ihm zum
Juwelier zu fahren. Zu allem Überfluss bestand Elizabeth darauf, sie zu
begleiten, doch er konnte ihr versichern, dass er eine offene Kutsche nehmen
würde, auf der sein Stallbursche hinten mitfuhr.
    Elizabeth
war schon immer sehr auf die Etikette bedacht gewesen, aber sie behandelte Lily
eher wie eine Schutzbefohlene denn als bezahlte Gesellschafterin. Es war
frustrierend, aber zugleich war Neville auch froh darüber. Allzu viele junge
Draufgänger hatten sich aus keinem anderen ersichtlichen Grund bei Elizabeth
zum Tee angemeldet, als mit Lily zu liebäugeln.
    Am
verabredeten Nachmittag schien endlich wieder die Sonne, und Lily trug ein
hübsches und äußerst modisches grünes Kleid und eine Strohhaube. Neville half
ihr in seinen Phaeton und setzte sich neben sie, bevor er aus der Hand seines
Stallburschen die Zügel nahm und darauf wartete, dass der junge hinten
aufstieg.
    »Sag
mir die Wahrheit, Lily«, sagte er, als sie in Richtung Bond Street fuhren.
»Amüsierst du dich?«
    Sie
dachte über ihre Antwort nach. »Ich fühle mich ... wohl«, sagte sie. »Ich weiß,
dass ich mich jetzt in fast jeder Gesellschaft zurechtfinden werde, in die es
mich womöglich für den Rest meines Lebens verschlägt. Das ist ein gutes Gefühl,
Mylord.«
    »Und
lernst du alles, was du dir zu lernen gewünscht hast?«, fragte er.
    »Auf
keinen Fall«, sagte sie. »Ich bezweifle, dass man überhaupt jemals all die
faszinierenden Dinge und Geheimnisse des Lebens lernen oder sich auch nur mit
allem beschäftigen kann. Ich lerne weitaus langsamer, als ich es erwartet
hatte. Ich kann kaum lesen, obwohl ich schon seit mehr als einem Monat
Unterricht bekomme. Aber jeden Tag, an dem ich frustriert und unzufrieden mit
mir bin, erinnere ich mich daran, dass ich mich schon immer nach Wissen und
Fähigkeiten gesehnt habe. Und ich denke daran, wie unendlich glücklich ich mich
schätzen kann, zumindest meine Sehnsucht stillen zu können.«
    Er
seufzte. »Ich wollte nicht, dass du dich änderst, Lily«, sagte er. »Ich mochte
dich so, wie du warst. Aber als ich das Elizabeth

Weitere Kostenlose Bücher