01 - Nacht der Verzückung
Menschen geschieht, solange das Pferdefleisch,
auf dem sie sitzen, keinen Schaden nimmt. Hier, Miss, darf ich Euch hochhelfen?«
»Lass
sie noch einen Augenblick liegen«, sagte der Kaufmann. »Ihr seid ohne
Dienstmädchen unterwegs, Ma'am?«
Lilys
Verstand war gerade dabei, sie davon in Kenntnis zu setzen, dass sie - wieder
einmal - um Haaresbreite dem Tod entronnen war. Ihr Verstand hatte sie
noch nicht auf die verschiedenen Beulen aufmerksam gemacht, die sie sich bei
ihrem harten Fall zugezogen hatte.
»Es ist
alles in Ordnung«, sagte sie. »Danke.«
»Er sah
aus wie der Teufel persönlich, das kann ich Ihnen sagen«, verkündete das
Mädchen in die Runde, »mit diesem schwarzen Umhang, der sich hinter ihm
bauschte. Ich habe sein Gesicht nicht gesehen. Vielleicht hatte er
überhaupt kein Gesicht. Oh, vielleicht war es wirklich der Teufel.«
»Sei
nicht so dumm, Mädchen«, sagte der Arbeiter zu ihr. »Obwohl ich mir auch nicht
erklären kann, warum er an einem solchen Morgen eine Kapuze über dem Kopf hatte
- es sei denn, es war eine Frau und sie wollte nicht erkannt werden, weil
sie im Herrensattel reitet. Wenn ihr mich fragt, sind die da oben nicht ganz
richtig im Oberstübchen.«
Der
Kaufmann bemühte sich, Lily auf die Beine zu helfen. Sie musste sich für einige
Augenblicke an seinem Arm festhalten, bevor sie sicher war, dass ihre Füße sie
tragen würden.
»Würdet
Ihr mir gestatten, Euch nach Hause zu begleiten, Ma'am?«, fragte er.
»Oh,
vielen Dank«, sagte sie. »Aber nein. Ich bin völlig in Ordnung, wenn auch ein
wenig durchnässt. Danke Ihnen allen. Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
»Nun,
wenn Ihr sicher seid«, sagte der Kaufmann und ruinierte seine galante Geste,
indem er eine Uhr aus der Westentasche zog und stirnrunzelnd bemerkte, dass er
noch so gerade eine Verabredung einhalten könne.
Lily
ging allein nach Hause und es gelang ihr, ins Haus und in ihr Zimmer zu
huschen, ohne von Elizabeth oder den Dienstboten gesehen zu werden. Sie zog ihr
nasses Kleid aus, bevor sie nach Dolly läutete, ihre Magd liebreizend
anlächelte und erklärte, dass sie im Park gewesen und auf dem nassen Gras
ausgerutscht sei - und es aber begrüßen würde, wenn sonst niemand von
ihrem tollen Streich erfahren würde. Dolly ließ sich vergnügt auf die
Verschwörung ein und verkündete, ihre Lippen seien versiegelt, um ihr dann,
während sie sich um Lily kümmerte, begeistert von den Fortschritten zu
berichten, die ihre aufkeimende Beziehung zu Elizabeth' gut aussehendem
Kutscher machte.
Es war
ein Unfall gewesen, sagte Lily sich und begann, die schmerzhaften Auswirkungen
ihres Sturzes zu spüren. Ein unachtsamer Reiter war vom Weg abgekommen und
hatte sie nicht einmal bemerkt.
Er
hatte einen schwarzen Umhang getragen - mit übergestülpter Kapuze.
Wahrscheinlich
besaß jeder Gentleman in England mindestens einen schwarzen Umhang. Und der
Morgen war kühl gewesen, wenn auch nicht gerade kalt.
Und es
war gewiss möglich, dass er in Wirklichkeit eine Sie gewesen war.
Es war
ein Unfall gewesen.
Aber
vielleicht auch nicht.
Genauso
wenig wie der Felsbrocken, der von der Klippe bei Newbury gestürzt war.
***
Die Dinge
entwickelten sich nur langsam - wenn überhaupt. Neville hatte Lily seit
seiner Ankunft in London nicht einmal jeden Tag gesehen. Und wenn er sie sah,
dann für gewöhnlich bei offiziellen Anlässen, wo sie dicht an Elizabeth' Seite
blieb und seine gute Erziehung ihn davon abhielt, zu viel Zeit mit ihr zu
verbringen.
Sie
wurden immer noch begierig beobachtet, wo immer sie zusammen auftraten. Joseph
erzählte ihm, dass die Salongespräche nur um dieses Thema kreisten. Noch dazu
wurde bekannt, dass es im Wettbuch des White's Club zwei Eintragungen gab, die
sich mit ihnen befassten. Es gab Gentlemen, die ihr Geld darauf oder dagegen
gesetzt hatten, dass er Lily Doyle innerhalb eines Jahres heiraten würde. Und
es gab andere - oder möglicherweise dieselben - die auf eine Heirat
mit Lauren innerhalb desselben Zeitraumes gesetzt hatten.
Joseph
amüsierte sich ganz köstlich, obwohl er das Geschehen in der Öffentlichkeit als
tödlich langweilig bezeichnete - niemand konnte Langeweile besser zum
Ausdruck bringen als der Marquis von Attingsborough.
Aber
Neville hatte vor, während des Abends in Vauxhall alle Vorsicht außer Acht zu
lassen. Er hatte vor, sich die Umgebung zunutze zu machen. Er hatte eine
Privatloge reserviert und Gäste eingeladen, um ein kleines Fest zu
veranstalten, und bei all dem
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