01 - Nacht der Verzückung
Liebe, dachte
sie, bevor sie ihre Hände auf seine Schultern legte und dann ihre Arme um
seinen Hals gleiten ließ. Keiner von beiden konnte ein anderes Motiv haben. Nur
Liebe. Sie öffnete die Lippen und erwiderte seinen Kuss mit Liebe.
Er hob
den Kopf, als er seine Arme um sie schlang und sie an sich zog. Mit dem
Mondlicht in seinem Rücken konnte sie kaum sein Gesicht sehen, aber sie hatte
den Eindruck, dass er lächelte.
»Dies
hier«, sagte er und seine Lippen strichen über ihre, »war vorherbestimmt, Lily,
vom ersten Augenblick an.«
Sie
fragte nicht, welchen ersten Augenblick er meinte den Augenblick, als sie sich
zum ersten Mal begegnet waren? Als sie in die Kirche von Newbury getreten war?
Den ersten Augenblick der Zeit am Anbeginn der Welt? Vielleicht meinte er all
diese Augenblicke. Und er hatte Recht. Dies war immer schon vorherbestimmt
gewesen.
Er
küsste ihren Mund, ihre Augen, ihre Schläfen. Er hauchte Küsse auf ihre Kiefer
und zu ihrem Kinn. Er küsste ihre Kehle. Und er küsste wieder ihren Mund und
murmelte Liebkosungen.
Die
Romantik schwand. Sie konnte seinen wohlbekannten, harten Körper spüren, der
sich an sie presste. Sie konnte sein Parfum und seinen männlichen Duft riechen.
Sie konnte den Wein, den er zuvor getrunken hatte, auf seinen Lippen und seiner
Zunge schmecken, in seinem Mund. Sie konnte hören, wie sich sein Atem
beschleunigte, und konnte sein wachsendes, dringendes Verlangen spüren, das
sich gegen ihren Unterleib presste. Ihr eigener Körper sprach auf seinen an -
hatte es seit der ersten Berührung seiner Lippen getan. Da war ein pulsierender
Schmerz in ihrem Leib und an den Innenseiten ihrer Schenkel, als sie sich in
blindem Verlangen, ihm nah zu sein, an ihn presste, nah ... näher. Neville. Sie
wollte ihn. Sie wollte ihn da. Hier. jetzt.
Doch
plötzlich hob er den Kopf und versteifte sich. Lauschend hielt er den Kopf in
die Höhe. Selbst in der Dunkelheit konnte sie seinen angespannten
Gesichtsausdruck wahrnehmen.
Lily
war sich im Nachhinein nie sicher, ob sie selbst ein Geräusch gehört hatte -
ein Geräusch, das anders war als der entfernte Lärm der Lustbarkeiten. Aber sie
wusste genau, dass sie plötzlich wieder von der furchtbaren Angst überrollt
worden war, als er sich von ihr abwandte, um in die Bäume auf der anderen Seite
des Pfades zu blicken. Sie war sich im Nachhinein nicht einmal sicher, ob sie
überhaupt irgendetwas gesehen hatte. Sie war sich nicht sicher, ob sie eine
Gestalt im dunklen Umhang gesehen hatte, die eine Pistole auf sie richtete.
Alles geschah zu schnell.
Neville
wandte sich plötzlich wieder zu ihr und wirbelte sie hinter den großen Baum,
wobei er sie mit seinem Körper vor der drohenden Gefahr schützte. Der Knall
schien danach gekommen zu sein. Die Kugel hatte sie verfehlt, dachte sie, als
er sie schmerzhaft gegen den Baum presste, mit dem Rücken zu ihr, sie
abschirmend. Aber der Knall klingelte ihr noch immer in den Ohren.
Sie
fühlte sich dem Ersticken nah. Er hielt die Arme nach hinten gespreizt, um ihre
Seiten zu schützen. Sie konnte kaum atmen. Trotzdem hieß sie den Schild, den er
ihr mit dem Körper bot, willkommen. Ohne ihn hätte sie sich in geistloser Panik
verloren.
Sie
hörte seinen stoßweisen Atem und wusste, dass er versuchte, Stille zu bewahren,
um ihre Position nicht zu verraten. Und sie wusste, dass sie für ihn ein
Hemmnis war. Wenn er sie nicht schützen müsste, könnte er sich auf die Suche
nach ihrem Gegner machen, anstatt hier darauf zu warten, dass er sie fand.
Sie
hatte das Gefühl, dort in unerträglicher Anspannung mindestens fünf Minuten
ausgeharrt zu haben, vielleicht sogar zehn - später glaubte sie, dass es
wahrscheinlich nicht mehr als ein oder zwei Minuten gewesen waren. Und dann
ertönte ganz in der Nähe Gelächter und sie erkannte mit knieerweichender
Erleichterung, dass jemand den Pfad entlangkam - vielleicht sogar mehrere
Personen.
Es
waren vier, um genau zu sein. Als sie an dem Baum vorbeigegangen waren, nahm
Neville sie fest an die Hand und zog sie auf den Pfad hinaus. Sie folgten den
beiden Paaren, die so aufgeheitert waren, dass sie nicht bemerkten, dass sich
ihre Anzahl vergrößert hatte.
»Ich
bringe dich zurück zu Elizabeth«, sagte Neville und legte einen Arm um sie, als
sie die Hauptallee erreichten. »Und dann werde ich zurückgehen und versuchen,
den Bast ...« Er verschluckte das Wort rechtzeitig. Er atmete schwer.
Aber
Lily, die einen Arm fest um seine Taille gelegt
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