01 - Nacht der Verzückung
hatte, weil sie befürchtete
zusammenzubrechen, spürte plötzlich etwas Warmes und Feuchtes und Klebriges.
»Du
bist getroffen worden«, sagte sie. Und dann, in höchster Panik: »Neville, du
bist angeschossen worden!«
»Es ist
nichts«, sagte er mit zusammengepressten Lippen. Und er lief schneller.
Als sie
die Loge erreicht hatten, löste er seinen Griff um sie und schleuderte sie der
erstaunten Elizabeth entgegen, die mit dem Herzog von Portfrey vor der Loge
stand.
»Nehmt
sie«, sagte Neville barsch. »Bringt sie fort von hier, Bringt sie nach Hause.«
Und
dann brach er vor ihren Füßen zusammen.
Kapitel 22
Als Neville wieder
zu sich kam, lag er mit dem Gesicht nach unten auf einem fremden Bett. Seine
Arme waren zur Seite abgespreizt und jemand hielt seine Handgelenke fest. Er
spürte, dass er nackt war, zumindest von der Taille aufwärts. Und seine rechte
Schulter schmerzte wie tausend Teufel.
Aus
alter Erfahrung wusste er, was vor sich ging.
»Verdammt!«
Es war Josephs Stimme - er hielt sein rechtes Handgelenk in stahlhartem
Griff umklammert. »Du hättest nicht vielleicht noch ein paar Minuten länger
schlafen können, Nev? Das Land der Träume genießen und so weiter?«
»Du
kannst deinen höllischen Griff lösen«, sagte Neville. »Ich werde nicht zappeln.
Wer ist der Metzger?«
»Dr.
Nightingale ist mein Hausarzt, Neville.« Elizabeth' Stimme klang kühl und
vernünftig, wie er es erwartet hatte - keine Spur von Hysterie. »Die
Kugel sitzt noch in deiner Schulter.«
Und Dr.
Nightingale hatte schon einen Schnitt gemacht, um sie zu entfernen. Das war es,
was ihn dazu gebracht hatte, sich in die Kanten der Matratze zu krallen,
erkannte Neville. Im diesem Moment öffnete er die Augen. Sein Kopf lag auf der
linken Seite - und es war Lily, die sich an sein linkes Handgelenk
klammerte.
Mach,
dass du hier rauskommst«, befahl er ihr.
»Nein.«
»Frauen
haben ihren Männern zu gehorchen«, sagte er.
»Wir sind
nicht verheiratet.«
»Und
natürlich hast du auf dem Schlachtfeld viel Schlimmeres gesehen als das hier.
Eine Kugel in der Schulter ist für dich eine Kleinigkeit. Dumm von mir, dich
vor einem Ohnmachtsanfall bewahren zu wollen.«
»Richtig.«
Der
Arzt, der weit weniger geschickt an diese Aufgabe heranging als die Feldärzte
der Armee, wandte sich erneut der Wunde zu, suchte vorsichtig nach der Kugel
und verursachte dadurch anhaltende und kaum erträgliche Schmerzen. Neville sah
Lily so lange in die Augen, bis der Schmerz drohte, ihn zu übermannen, dann
kniff er die Augen zusammen und knirschte laut mit den Zähnen.
»Ah«,
sagte Dr. Nightingale endlich mit zufriedener Stimme.
»Er hat
sie!« Joseph keuchte, als habe er gerade ein Verfolgungsrennen mit einem wild gewordenen
Bullen hinter sich. »Sie ist raus, Nev.«
»Und
soweit ich sehen kann, keine Verletzung an Knochen oder Sehnen«, fügte der Arzt
hinzu. »Wir werden Euch im Handumdrehen wieder zusammengeflickt haben, Mylord.«
Der
Schmerz wurde nur unwesentlich schwächer. Er fühlte sich wie in einer Wolke des
Schmerzes, aus der heraus er wie aus weiter Entfernung in die Realität schaute.
Und als er die Augen wieder öffnete, wusste er, dass Lilys Hand von seinem
Handgelenk verschwunden war und in seiner Hand lag - in seiner Hand zerquetscht wurde. Einen Moment
lang schien ihm seine Hand nicht gehorchen zu wollen, doch dann lockerte sie
sich allmählich und ließ ihre los. Mit seltsamer innerer Losgelöstheit sah er,
dass ihre Finger weiß und fest zusammengeschweißt zu sein schienen, sodass sie
sie für kurze Zeit weder bewegen noch auseinanderbringen konnte. Ein Wunder,
dass er ihr nicht sämtliche Finger gebrochen hatte, aber sie hatte keinen Laut
von sich gegeben.
Sie
wandte sich ab und dann wieder ihm zu und er spürte ein kühles, feuchtes Tuch
auf seinem erhitzten Gesicht.
Joe
sagte etwas - Neville wusste nicht, um was es ging. Der Arzt war immer
noch mit seiner Schulter beschäftigt und Elizabeth assistierte ihm
offensichtlich. Neville beobachtete Lily, wie sie ruhig und effizient
arbeitete, so, wie sie es stets nach einer Schlacht oder einem Scharmützel
getan hatte. Sie befeuchtete das Tuch, presste das überschüssige Wasser heraus
und drückte es ihm sanft auf das Gesicht oder an den Hals. Er sponn sich einen
Kokon aus seinen Schmerzen und versteckte sich tief darin.
»Ist er
gefasst worden?«, fragte er schließlich. Er hatte sich plötzlich daran
erinnert, dass er bei Vauxhall gewesen war, Lily auf einem
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