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01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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gegessen?«
    Sie
brauchte einige Zeit, um zu antworten. »Gestern«, sagte sie. »Mittags. Ich habe
ein bisschen Geld. Vielleicht kann ich im Dorf ein Brot kaufen.«
    »Komm.«
Er nahm sie wieder bei der Hand. Ihre war jetzt kalt und kraftlos. »Du brauchst
ein warmes Bad und einen Kleiderwechsel und ein gutes Essen und einen langen
Schlaf. Hast du nichts bei dir?«
    »Meine
Tasche«, sagte sie und sah nach unten, als ginge sie davon aus, dass die Tasche
plötzlich in ihrer leeren Hand auftauchte. »Ich glaube, ich habe sie irgendwo
verloren. Ich hatte sie noch, als ich heute Morgen ins Dorf ging. Ich wollte
mir etwas zum Frühstück kaufen. Und dann erfuhr ich von ... von deiner
Hochzeit.«
    »Man
wird sie finden«, versicherte er ihr. »Mach dir keine Sorgen. Ich bringe dich
nach Hause.«
    Und in
Verwicklungen, von denen er sich nicht die geringste Vorstellung machte.
    ***
    »Denke bitte nicht,
dass ich dich als Dienstbotin betrachte, Lily«, erklärte ihr Neville -
die ersten Worte, die zwischen ihnen gesagt wurden, seit sie den Strand
verlassen hatten, »aber so gehen wir der Meute aus dem Weg.«
    Die
Türe, durch die sie Newbury Abbey betraten, befand sich nicht an der
Vorderseite des Hauses. Lily vermutete, dass es sich um den Dienstboteneingang
handelte. Und die blanken Steinstufen, die sie im Inneren hinaufgingen, mussten
wohl für die Dienerschaft bestimmt sein. Niemand war zu sehen. Der Rest des
Hauses allerdings war keineswegs so verlassen, wie aus all den Kutschen zu
schließen war, die bei den Stallungen, vor dem Wagenschuppen und auf der
Terrasse standen. Auf der Terrasse befanden sich auch Menschen, die in kleinen
Gruppen zusammenstanden - einige jener festlich gekleideten
Hochzeitsgäste, die in der Kirche gewesen waren.
    Neville
öffnete eine Tür, die auf einen breiten Korridor führte. Er war mit Teppich
ausgelegt und wurde von Bildern, Skulpturen und Türen gesäumt. Sie befanden
sich also im Haupthaus. Im Korridor standen drei Personen in ein Gespräch
vertieft, das sie jedoch unterbrachen, die beiden Neuankömmlinge neugierig
betrachteten und Neville mit verlegener Miene grüßten. Er nickte ihnen höflich
zu, sagte aber kein Wort. Ebenso wenig wie Lily, deren Hand sich noch immer in
seinem festen Griff befand.
    Dann
öffnete er eine der Türen und entließ ihre Hand, um ihr die seine in
Taillenhöhe an den Rücken zu legen und sie in den Raum zu führen. Es war ein
großer, quadratischer Raum mit einer hohen Decke. Mit einem kurzen Blick nach
oben sah sie vergoldeten Stuck und eine Deckenmalerei mit dicken, nackten
kleinen Kindern mit Flügeln. Durch zwei hohe Fenster erkannte sie, dass der Raum
an der Vorderseite des Hauses lag. Es war ein Schlafzimmer, mit edlen Teppichen
ausgelegt und kostbar möbliert. Über dem mit schwerer Seide drapierten Bett
spannte sich ein Baldachin. Die altrosa und moosgrünen Farben der Möbel und
Stoffe harmonierten geschmackvoll miteinander.
    Lily
hatte in ihrem ganzen Leben noch nie etwas so Prachtvolles gesehen -
außer vielleicht den Hauptsaal, in den sie am vorherigen Abend einen Blick
hatte werfen können.
    Ach
lasse sofort Essen und Trinken heraufbringen«, sagte Neville, schritt durch das
Zimmer und zog an einem mit einer Quaste verzierten Seidenband, das neben dem
Bett hing, »und danach werde ich heißes Wasser für ein Bad ins Ankleidezimmer
bringen lassen. Wir werden deine Tasche bestimmt wiederfinden, aber bis dahin
können wir sicherlich ein Nachtgewand und ein Kleid für dich besorgen. Und dann
musst du schlafen, Lily. Du siehst müde aus.«
    ja,
vermutlich war sie müde. Doch Müdigkeit gehörte so lange schon zu ihren
Lebensbedingungen, dass sie sich ihrer kaum noch bewusst war. Sie wusste, dass
sie hungrig war, aber sie war sich keineswegs sicher, ob sie überhaupt etwas
essen konnte. Sein Ton war schroff und förmlich. Das Ganze erinnerte nicht im
Entferntesten an die freudige Heimkehr, die sie sich ausgemalt hatte - oder
die empörte Abweisung, die sie gefürchtet hatte. Er wusste, was ihr widerfahren
war, dennoch hatte er sie in sein Haus gebracht, in seine vornehmen Gemächer.
    »Ist
dies hier dein Zimmer?«, fragte sie ihn. Sie wusste nicht, wie sie ihn anreden
sollte. »Neville« erschien ihr zu familiär, obwohl sie doch seine Ehefrau war.
Sie hätte ihn gern mit »Sir« angeredet, aber er war kein Offizier mehr und sie
gehörte nicht mehr seinem Regiment an. Sie konnte sich nicht dazu durchringen,
ihn mit »Mylord« anzusprechen. Also

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