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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Schamröte ins Gesicht. Wenn man da kaltes Blut behalten soll, so müßte man im Sommer ein Eskimo und im Winter ein Grönländer sein, wenn ich mich nicht irre. Als ich so jung war, wie Ihr jetzt seid, da war ich zehnmal gescheiter als Ihr, und jetzt in meinen alten Tagen scheine ich zehnmal dümmer zu sein. Ist das nicht traurig für einen Westläufer, der seine Portion Ehrgefühl besitzt?“
    „Braucht es Euch nicht so tief zu Herzen zu nehmen.“
    „Oho, es greift an! Ich muß gestehen, daß Ihr recht gehabt habt. Woher kommt das nur?“
    „Daher, daß ich logisch richtig gedacht und geschlossen habe. Das richtige Schließen ist sehr wichtig.“
    „Schließen? Was ist das? Mit einem Schlüssel?“
    „Nein. Schlüsse ziehen, meine ich.“
    „Das verstehe ich nicht; ist mir zu hoch.“
    „Nun, ich habe folgenden Schluß gezogen: Wenn Indianer hintereinander reiten, wollen sie ihre Spur verdecken; die beiden Apachen sind hintereinander geritten, folglich wollen sie ihre Spur verdecken. Das versteht Ihr doch?“
    „Selbstverständlich.“
    „Durch diesen richtigen Schluß bin ich zu der richtigen Entdeckung gekommen. Der richtige Westmann muß vor allem richtig denken können. Ich will Euch noch so einen Schluß sagen. Wollt Ihr ihn hören?“
    „Warum nicht?“
    „Ihr heißt Hawkens. Das soll doch ‚Falke’ sein?“
    „Yes.“
    „So hört! Der Falke frißt Feldmäuse. Ist das richtig?“
    „Ja; wenn er sie fängt, da frißt er sie.“
    „Nun also ist der Schluß: Der Falke frißt Feldmäuse; Ihr heißt Hawkens, folglich freßt Ihr Feldmäuse.“
    Sam machte den Mund auf, jedenfalls um Atem und Gedanken schöpfen zu können, sah mich eine kleine Weile wie abwesend an und brach dann los:
    „Sir, wollt Ihr Euch über mich lustig machen? Das verbitte ich mir! Ich bin noch lange kein Bajazzo, dem man auf dem Buckel herumspringen kann. Ihr habt mich beleidigt, schwer beleidigt mit der teuflischen Behauptung, daß ich Mäuse fresse, und noch dazu elende Feldmäuse. Dafür will ich Genugtuung haben. Was denkt Ihr vom Duell?“
    „Großartig!“
    „Jawohl! Ihr habt studiert, nicht wahr?“
    „Ja.“
    „So seid Ihr satisfaktionsfähig. Ich werde Euch also meinen Sekundaner schicken. Verstanden?“
    „Ja. Aber habt Ihr studiert?“
    „Nein.“
    „So seid Ihr nicht satisfaktionsfähig, und ich werde Euch also meinen Tertianer oder Quartaner schicken. Verstanden?“
    „Nein, das verstehe ich nicht“, meinte er, indem er ein verlegenes Gesicht zeigte.
    „Nun, wenn Ihr die Regeln des Duells nicht versteht und nicht einmal wißt, welche Bedeutung Euer Sekundaner und mein Tertianer und Quartaner dabei haben, so könnt Ihr mich doch nicht fordern. Ich will Euch freiwillig eine Genugtuung geben.“
    „Welche?“
    „Ich schenke Euch mein Grizzlybärenfell.“
    Seine Äuglein blitzten sofort wieder.
    „Das braucht Ihr doch selbst!“
    „Nein. Ich gebe es Euch.“
    „Ist's wahr?“
    „Ja.“
    „Heigh-day, das nehme ich sofort an. Danke, Sir, danke außerordentlich! Halloo, werden sich die andern ärgern! Wißt Ihr, was ich daraus mache?“
    „Nun?“
    „Einen neuen Jagdrock, einen Jagdrock aus Grizzlyleder! Welch ein Triumph! Werde ihn selber machen. Bin ein ausgezeichneter Jagdrockschneider. Seht Euch diesen da an, wie schön ich ihn ausgebessert habe!“
    Er deutete auf den vorsintflutlichen Sack, in welchem er steckte. Da war allerdings ein Lederstück immer wieder auf das andere geflickt, so daß der Rock die Dicke eines Brettes angenommen hatte.
    „Aber“, fügte er in seiner großen Freude hinzu, „die Ohren, die Krallen und die Zähne bekommt Ihr, die brauche ich nicht zum Rock, und Ihr habt Euch diese Trophäen mit größter Lebensgefahr erkämpft. Ich mache Euch eine Kette daraus; ich verstehe mich auf solche Arbeiten. Wollt Ihr?“
    „Ja.“
    „Recht so, recht so, denn dann hat jeder seine Freude. Ihr seid wirklich ein tüchtiger Kerl, ein ganz tüchtiger Kerl. Schenkt Eurem Sam Hawkens das Grizzlyfell. Nun könnt Ihr meinetwegen von mir behaupten, daß ich nicht nur Feldmäuse, sondern auch Ratten fresse, es wird meine Seelenruhe nicht im geringsten aus der Fassung bringen. Und das mit den Büchern – – – ich sehe doch, daß sie nicht ganz so übel sind, wie ich erst dachte; man kann wirklich vieles daraus lernen. Werdet Ihr wirklich eines schreiben?“
    „Vielleicht mehrere.“
    „Über Eure Erlebnisse?“
    „Ja.“
    „Und ich komme auch mit hinein?“
    „Nur meine

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