0114 - Mädchen, Gangster, blaue Küste
Sie sind breit und schnell, und die Verbindungswege von einer zur anderen, von der Höhe zur Tiefe, sind atemberaubend schmal, steil und gefährlich, gerade das Richtige für junge Männer, die nichts anderes zu tun haben, als ihren Hals zu riskieren und ihren Girls zu imponieren.
Phil und ich sind gezwungen, hin und wieder unseren Hals beruflich zu riskieren. Unser Bedarf an Risiko wird durch den Job ausreichend gedeckt. Wenn wir privat unterwegs sind, fahren wir gern aufreizend gemütlich und vermeiden alles Gefährliche, wie bärtige Väter, die sich ihren Familien erhalten müssen. So kutschierten wir über die mittlere der drei Straßen, die sie hier Moyenne Corniche nennen, nach Monte Carlo. Seitdem unser ,Edelstahl-Mädchen’ dort Fürstin ist, fühlen wir Amerikaner uns halb zu Hause.
***
Der Spielsaal erstickte in Plüsch, aber das muss so sein, und das war schon so, als russische Großfürsten hier noch halbe Provinzen verspielten. Jetzt riskieren amerikanische Fleischpacker einen Monatsumsatz, Reederkönige verlieren oder gewinnen ein halbes Tankschiff voll Öl, Stahlmagnaten ein kleines Aktienpaket und Filmstars ein wenig von ihrer Gage. Wirklich um Sein oder Nichtsein spielen nur die Spieler aus Leidenschaft, und bei ihnen liegt die kritische Grenze bereits bei einigen Hundert Dollar.
Miss Angers zeigte uns, wie man sein Geld in Chips wechselt, und dann begannen wir, ein bisschen zu spielen.
Na ja, ich gewann und verlor und gewann wieder, aber es machte mir nicht sehr viel Spaß. Auf eine Pokerpartie lasse ich mich nicht .ungern ein, aber dieses Spielchen mit einer rollenden Kugel fand ich ein wenig albern.
»Ich sehe mich mal etwas um«, flüsterte ich dem Mädchen zu, das vor Aufregung rote Wangen hatte. Sie nickte nur. Phil spielte mit tierischem Ernst, und jedes Mal, wenn er verlor, warf er den Croupiers so finstere Blicke zu, als hielte er sie allesamt für ausgekochte Gangster.
Ich bummelte im Spielsaal herum, sah mal hier zu, mal da, vertiefte mich auch vorübergehend in den Anblick einer Blondine, aber sie beobachtete so intensiv ihre Chips, dass sie es nicht bemerkte.
An einem Tisch, an dem Baccarat gespielt wurde, fiel mir die Gestalt einer Frau auf, die mir bekannt vorkam. Ich ging um den Tisch herum, und als ich ihr Gesicht sehen konnte, erkannte ich sie. Es war Evelyn Draw.
Ich kann nicht behaupten, dass sie Trauer um Paul de Surviel zeigte. Ihr Abendkleid war durchaus up to date und absolut nicht schwarz. An ihren Fingern funkelten Ringe, und um den Hals trug sie ein Perlenkollier, das nicht von Woolworth zu stammen schien.
Ich blieb stehen und beobachtete sie. Sie spielte gleichgültig und anscheinend zerstreut. Obwohl ich das Spiel nicht kannte, hatte ich den Eindruck, dass sie verlor.
Erst nach einer Viertelstunde blickte sie auf und sah mich. Sie lächelte flüchtig, spielte noch eine Runde mit und stand auf.
Ich ging auf sie zu.
»Guten Abend, Mr. Cotton«, sagte sie. »Ich habe anscheinend heute kein Glück.«
»Verloren?«
»Ja, einiges. Na, nicht so wichtig.«
»Ich habe auch nichts gewonnen«, brummte ich.
Wir schwiegen zwei Minuten. Sie drehte nervös an dem Riemen ihrer kleinen Handtasche.
Sie warf plötzlich den Kopf hoch und fragte: »Sie wundern sich wohl, dass ich hier spiele.«
»Warum?«
»Nun, wegen der Sache mit Paul.«
Ich zuckte die Achseln.
»Jeder muss sehen, auf welche Weise er damit fertig wird.«
»Ja, das ist es, Mr. Cotton«, antwortete sie und strich nervös über ihr Haar. »Ich fürchtete, in der leeren Villa wahnsinnig zu werden. Pauls Neffe hat alle Diener bis auf ein Zimmermädchen entlassen. Das Haus war so groß und so leer, und jeder Gegenstand darin erinnerte mich an Paul. Verstehen Sie, dass ich ausgebrochen bin?«
»Okay, ich verstehe es.«
Sie lächelte kläglich.
»Ich fürchte, es hat nicht viel geholfen. Es wird besser sein, wenn ich wieder nach Hause fahre. Auf Wiedersehen, Mr. Cotton.«
Sie gab mir die Hand, lächelte noch einmal, und bevor ich etwas sagen konnte, schwebte sie davon.
Ich sah ihr verdutzt nach, und es dämmerte mir, dass sie mich auf kalte Weise abserviert hatte.
»Na, warte«, dachte ich und schlenderte zu einem anderen Tisch des Saales. Ich wartete, bis sie den Saal verlassen hatte, und ging ihr nach.
Im Foyer sah ich sie nicht, wollte weitergehen und hatte gerade noch Glück, dass ich einen Blick auf eine der Telefonzellen erwischte. Da stand sie und hatte den Hörer am Ohr.
Ich drückte mich an
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