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0179 - Wir blufften um sein Leben

0179 - Wir blufften um sein Leben

Titel: 0179 - Wir blufften um sein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wir blufften um sein Leben
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aufsuchen?« fragte er.
    »Allerdings«, erwiderte ich.
    »Nun«, sagte er, und seine Äugen blitzten von einer Energie, die man dem alten Mann kaum zugetraut hätte, »dann sagen Sie dem Gouverneur, daß er im Begriff ist, einen Justizmord zuzulassen! Er allein kann es noch verhindern, daß er geschieht! Sagen Sie dem Gouverneur, daß schon einmal in der Weltgeschichte unschuldig getötet worden ist! Erinnern Sie ihn an Jesu Kreuzigung! Und sagen Sie ihm, bei allem, was seinen Glauben ausmacht, er möchte das Gnadengesuch bewilligen! Das Blut eines Unschuldigen wird über ihn kommen, wenn er noch lange zögert!«
    Er sprach mit einer volltönenden Stimme, und in seinen Augen blitzte eine Leidenschaft, die uns seltsam beführte. Clareson beugte sich ein bißchen näher zu mir und raunte mir ins Ohr: »Ob er weiß, was er sagt?«
    Ich zuckte die Achseln. Möglich war es schon. Die Eindringlichkeit, mit der er sprach, das Fieber in seinen Augen — das alles deutete darauf hin, daß er besessen war. Aber mußte er deshalb verrückt sein? Ich kannte in New York einen Wissenschaftler, der ebenso besessen von seinen Ideen war, und den man nicht verrückt, sondern ein Genie nannte.
    Die Sekretärin erschien wieder. Aber sie wandte sich nicht uns, sondern dem Pater zu.
    »Hochwürden«, sagte sie, und man sah ihr an, daß sie sich zur Geduld und zur Beherrschung zwingen mußte: »Hochwürden, es tut mir leid, daß ich Ihnen das sagen muß, aber der Gouverneur hat mich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, daß er das Gnadengesuch nach reiflicher Prüfung abgelehnt hat. Die Hinrichtung wird übermorgen früh stattfinden.«
    Unwillkürlich blickte ich auf meine Uhr. Es war kurz vor drei. Irgend jemand hatte also noch runde sechsunddreißig Stunden zu leben.
    Der Greis erhob sieh. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.
    »So…«, murmelte er tonlos, »So… Er hat das Gnadengesuch abgelehnt.«
    Einen Augenblick schwankte er, Schon sprang ich vor, um ihn eventuell zu stützen. Da hatte er sich wieder gefaßt. Das Blitzen in seinen Augen erschien wieder. Seine Stimme dröhnte wie eine Glocke, als er ausrief:
    »Das Gnadengesuch abgelehnt? Will sich auch der Gouverneur zu einem Mörder machen? Weiß er nicht, daß er einen Unschuldigen hinrichten läßt? Dieser Mann ist unschuldig, so wahr Gott lebt!«
    Er blickte sich um. Unwillkürlich zog die Sekretärin den Kopf ein. Ich gebe zu, daß auch wir ergriffen wurden von der majestätischen Leidenschaft dieses alten Mannes.
    Mit einem einzigen Griff hatte der Pater die Tür zum Zimmer des Gouverneurs aufgestoßen.
    »Seid sanftmütig, sagt der Herr«, tönte seine volle Stimme. »Aber der Herr kennt auch den heiligen Zorn! Soll ich wissend zuseihen, daß ein Unschuldiger gemordet wird? Herr Gouverneur, haben Sie ein einziges Mal mit Mister Connelli gesprochen? Haben Sie seine Akten gelesen? Kennen Sie den Bück seiner Augen? Nein, nichts von alledem! Sie haben vielleicht die Urteilsbegründung gelesen. Sie haben wahrscheinlich einen Beamten um ein Gutachten gebeten, und man hat Ihnen nahegelegt, das Gnadengesuch abzulehnen. Beim ewigen Gott des Himmels gelobe ich Ihnen, daß Mister Connelli unschuldig ist!«
    Unwillkürlich blickten wir durch die offenstehende Tür auf den Gouverneur, der hinter einem riesigen Schreibtisch saß und sich langsam erhb.
    »Hochwürden«, erwiderte er mit verhaltener Schärfe. »Ich habe mir jetzt gefallen lassen, daß Sie seit vier Tagen vor meiner Tür sitzen und alle meine Besucher belästigen! Aber jetzt —«
    »Jetzt wollen Sie aus einem Mord zwei machen!« unterbrach ihn der Alte. »Ich weiß ja alles, was Sie mir erzählen wollen! Die Indizien! Die erdrückenden Indizien! Aber hat es noch niemals einen noch so unerschütterlichen Indizienbeweis gegeben, der sich später, als es zu spät war, als falsch erwies? Ich Schwöre Ihnen, daß dieser Mann unschuldig ist!«
    Der Pater drehte sich um. Hilfesuchend blickte er heraus ins Vorzimmer. Zufällig fiel sein Blick auf Clareson. Eilig kam er heran und zog Clareson am Ärmel ins Zimmer des Gouverneurs.
    »Mein Herr!« rief er dabei. »Sie haben sicher in den Zeitungen die ganze Geschichte gelesen. Es handelt sich um den Mord in der Paradise Street! Mein Freund, ein gewisser Ray Connelly, ist zum Tode verurteilt worden, weil mau ihm diesen Mord zuschieben will! Jawohl, zuschieben will! Denn er war es ja nicht! Er ist unschuldig! Aber der Herr Gouverneur beruft sich auf die Indizien! Mein Herr, wenn Sie

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