02 - komplett
Sir Clayton“, erklärte er. „Dort brennt ein Feuer.“
„Danke, nein“, gab Clayton zurück. „Meine Angelegenheit hier wird nicht viel Zeit in Anspruch nehmen.“
Mit einer Verbeugung wandte sich der Butler zum Gehen. Er wäre beinahe mit Gerald Pomfrey, Earl of Elkington, zusammengestoßen. „Hat der alte Junge Ihnen nicht wenigstens ein warmes Plätzchen angeboten, um dort zu warten, Powell?“, begrüßte der Hausherr Clayton jovial.
Dieser rang sich ein Lächeln ab. In seinen Kreisen kannte jeder den Earl als Geizkragen. Vermutlich gab es im ganzen Haus kein warmes Plätzchen. „Er hat sich äußerst zuvorkommend verhalten“, erwiderte er. „Es tut mir leid, dass ich unangemeldet hier hereinplatze, und ich kann auch nicht lange bleiben. Ich wollte mich nur erkundigen, ob Sie wissen, wo sich Ihr Bruder derzeit aufhält.“ Clayton hatte bisher gezögert, sich bei seiner Suche an den Earl zu wenden. Jeder im ton wusste, dass Gerald und Ralph Pomfrey nichts weiter verband als tief empfundener Hass. Aber die Zeit bis zu dem angesetzten Duell lief ab, und Clayton musste einfach mit Ralph Pomfrey sprechen.
Gerald lachte höhnisch auf. „Er weiht gewöhnlich nicht in seine Pläne ein. Vor einem halben Jahr habe ich den jämmerlichen Kerl zum letzten Mal gesehen, und miteinander gesprochen haben wir seit sechs Jahren nicht mehr.“
Mit einem Nicken, das gleichzeitig Dank und Abschied ausdrücken sollte, wandte Clayton sich wieder zum Gehen. Der Butler sprang überraschend behände herbei, um ihm die Tür zu öffnen.
„Aber ich kann mir vorstellen, wo er sich aufhält.“
Langsam drehte Clayton sich um und blickte in die selbstzufriedene Miene des Earls.
„Wenn mich nicht alles täuscht, ist er nach Sussex gefahren, um sich unter den Röcken unserer lieben Frau Mama zu verstecken – ganz wie ein kleiner Junge, der etwas ausgefressen hat.“
13. KAPITEL
„Mrs. Hayden!“
Der überraschte Ausruf veranlasste Ruth dazu, sich umzudrehen und suchend umzusehen. Als sie unter den vielen unbekannten Gesichtern das eine vertraute entdeckte, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus.
Gerade erst hatte sie das elegante Stadthaus am Berkeley Square betreten, in dem Mr. und Mrs. Storey zu ihrer musikalischen Soiree geladen hatten. Gavin hatte ihr als perfekter Gentleman die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet, die er auch seiner Gattin zukommen ließ. Nachdem er beiden Damen aus der Kutsche geholfen hatte, bot er ihnen jeweils einen Arm und führte sie die prächtige Freitreppe hinauf.
Ihre Ankunft löste Bewunderung aus. Ruths dunkle Schönheit bildete einen reizvollen Kontrast zu der blonden, zierlichen Sarah, und der charmante Gentleman, der sie geleitete, ließ so manches Frauenherz vor Neid pochen.
Sobald das Trio den Salon im ersten Stock betrat, gaben Gavin und Sarah sich jede erdenkliche Mühe, Ruth ihren Bekannten vorzustellen und sie in die Gespräche mit einzubeziehen. Noch vor wenigen Augenblicken hatte Ruth höfliche Bemerkungen mit dem Earl und der Countess of Morganston ausgetauscht, deren Landsitz in der Nähe von Tremayne Park in Surrey lag. Das Ehepaar hatte eine kleine Tochter im gleichen Alter wie James. Als die beiden jungen Mütter anfingen, sich über ihre Kinder zu unterhalten, war Ruth mit einem Lächeln beiseitegetreten, um sich bewundernd umzusehen.
Nun, da der Gastgeber sie entdeckt hatte, wandte sie sich ihm zu. In Keith Storeys Augen leuchtete ehrliche Freude über das Wiedersehen auf. Sie hatte den Freund ihrer Kindertage sofort erkannt, obwohl sie sich seit über zehn Jahren nicht mehr begegnet waren. Er trug die braunen Haare kürzer als früher, aber an seinem freundlichen Gesichtsausdruck und der unverstellten, aufrichtigen Art hatte sich nichts geändert.
„Mr. Storey!“ Ruth reichte ihm beide Hände, die er fest ergriff.
Lächelnd zog er ihre Finger an die Lippen. „Wie lange ist es jetzt her, dass wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben? Damals haben wir uns nicht so förmlich benommen. Nannten wir uns nicht Keith und Ruth? Dann sollten wir dazu zurückkehren. Ruth, du siehst kein bisschen anders aus als damals, als du mich verzaubert hast.“ Bei der Erinnerung lachte er ein wenig in sich hinein. „Weißt du noch, wie wir im Sommer die Äpfel aus dem Pfarrersgarten geklaut haben? Wir waren schon rechte Wildfänge. Manchmal war noch ein Vetter von dir mit von der Partie ... wie hieß er noch gleich?“
„Jake“, antwortete Ruth, die sich einen
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