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02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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unsere Ehe.
    Und dann denke ich: Was für eine Ehe? Ist das überhaupt noch eine Ehe?
    Ich denke auch: Irgendwie war das früher auf dem Dorf einfacher. Man stritt sich und versöhnte sich. Und wenn man sich ganz doll stritt, zog man zurück zu den Eltern oder einer Tante. Dann traf man sich dreimal beim Bäcker. Beim ersten Mal nickte man sich nur zu. Beim zweiten Mal grüßte man. Beim dritten Mal sagte man irgendwas Unverbindliches wie: Na, wie gehts. Und dann gab´s an einem Wochenende einen Feuerwehrball und man trank ein paar Bier zuviel, tanzte zusammen und wachte am nächsten Morgen gemeinsam auf. Man wusste vielleicht nicht mehr so genau, was in der Nacht passiert war. Aber man wusste: alles ist wieder in Ordnung. Aber die Variante fällt für Jorge und mich weg. Schon weil wir uns in so verschiedenen Ecken der Welt rumtreiben, dass wir uns nie und nimmer irgendwo beim Bäcker begegnen können. Wenn wir uns treffen wollen, dann muss einer was dafür tun. Sogar ziemlich viel. Und danach sieht es im Moment nicht aus.
    Ich bin an einem Ende der Welt und Jorge an einem anderen.
     
    Ich gehe zur Post und Mary begrüßt mich wie eine alte Bekannte. So ein Quilting-Marathon mit Elch-Pizza und Cherry Squares, mit Chicken-Wraps und Brombeer-Crumble aus im Sommer gepflückten Brombeeren, mit marinierten Austern aus dem Inlet und Nanaimo Bars aus der Stadt – so ein Quilting-Marathon schweißt einen eben wirklich zusammen.
    Mary drückt mir einen Stapel Post in die Hand. Ich sehe verblüfft auf die Briefe, den großen Umschlag und das Päckchen. Ich werde in den Cookshack gehen und mir das in aller Ruhe ansehen. Bei einer Tasse Kaffee. Mit Blick auf den Fjord und die Berge.
    Ich habe übrigens mal gegoogelt, was Hopscotch ist. Unser Patchwork-Muster. Hopscotch ist ein Kinderspiel. In Deutschland bekannt unter Hickelkasten. Oder Himmel und Hölle. Man malt sich die Kästchen auf den Boden und dann hüpft man die Muster ab. Am Anfang ist die Erde, oben ist der Himmel. Dazwischen liegt die Hölle. Das gibt mir zu denken. Und wenn das ganze Leben Patchwork ist? Womöglich nach dem Hopscotch-Muster? In welchem Kästchen befinde ich mich dann??? Das ist die Frage.
    Ich nehme den Stapel Briefe und lege ihn vor mir auf den Tisch. Ich fächere ihn auf. Womit soll ich anfangen?

V
     
    Das Päckchen, der Umschlag, drei Briefe und die Weihnachtskarte von Paul und Lena sind für mich. Die anderen Briefe sind für Anna. Ein paar Stromrechnungen und ein Brief von Jan.
    Ich sehe auf den Poststempel, der Brief hat sage und schreibe zwei Jahre und zwanzig Tage gebraucht um hier anzukommen. Jan hat ihn wenige Monate vor seinem Tod geschrieben. Da wusste er schon, dass er krank war. Und vielleicht hat er da auch schon gewusst, dass er bald sterben würde. Er hat den Brief im Dezember geschrieben und ist im April gestorben. Jetzt halte ich den Brief in der Hand und weiß nicht, was ich damit machen soll. Eigentlich habe ich das ja auch gar nicht zu entscheiden, denn der Brief ist ja von Jan an Anna und hat mit mir nichts zu tun. Also müsste ich ihn eigentlich weiterschicken. Die Adresse hier durchstreichen und Annas Adresse in Portugal draufschreiben. Ihre eigene oder die von Miguel. Aber irgendwie möchte ich das nicht.
    Gerade hat Anna sich ein bisschen erholt, es scheint ihr ein bisschen besser zu gehen, aber wer weiß, wie gut es ihr wirklich geht. Dieser Brief könnte sie total aus dem Gleichgewicht bringen und dann geht diese ganze Trauer wieder von vorne los. Wenn die Post schon schlampt, warum dann nicht richtig, warum hat sie den Brief dann nicht einfach verloren, wenn sie ihn schon nicht in einem angemessenen Zeitraum ausliefert, sagen wir einer Woche oder zwei. Maximal drei. Und warum hat Jan Anna einen Brief an diese Adresse hier in Kanada geschickt? Wollte er vielleicht, dass Anna ihn erst später bekommt? Nach seinem Tod?
    Ich lege den Brief – natürlich ungeöffnet – auf die Stromrechnungen, um die ich mich zum Glück nicht kümmern muss, denn der Strom wird automatisch abgebucht.
    Jetzt zu meiner Post. Das Päckchen ist von M. Teresa C. Monteiro. Jorges Mutter hat mir zu Weihnachten ein Päckchen geschickt, das ist ja eigentlich wirklich ganz nett. Freundin auf Facebook und ein Päckchen zu Weihnachten. Bedeutet das, dass sie mich noch immer als Schwiegertochter sieht? Soll ich jetzt hier im Café das Päckchen auspacken? Das sieht ja auch komisch aus. Nein, das Päckchen hebe ich mir für Zuhause auf. Also für

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