0268 - Wikkas Rache
wie er mit einem sicheren Blick feststellen konnte. Das Weinen aber erklang auf der ersten Etage.
Der Inspektor huschte die Stufen der engen Treppe hoch. Seine Sohlen hinterließen bei jedem Schritt dumpfe Geräusche auf dem Bohlenholz. Er fand sich auf einem schmalen Podest wieder und vernahm eine schrille Stimme.
»Hexenkind, Hexenkind! Wir werden dich zu einem Hexenkind machen!« schrillte die Stimme.
Suko wirbelte herum, sprang in einen schmalen, schrägen Raum hinein und sagte: »Das glaube ich wohl kaum!«
Zwei alte, widerliche Hexenweiber fuhren herum. Sie hatten neben einem Bett gestanden, auf dem ein etwa fünfjähriges Mädchen mit verweinten Augen und wachsbleichem Gesicht lag. Die Arme hielt es ausgestreckt. Es war eine hilflose Geste, die Suko rührte.
Gleichzeitig wuchs sein Zorn auf die dämonischen Weiber.
»Weg da!« peitschte seine Stimme.
Sie kümmerten sich nicht darum. Kichernd näherten sie sich dem Inspektor von zwei Seiten. »Du kommst auch dran!« flüsterte die rechte. »Wir werden dich ebenfalls verhexen, du wirst keine Chance bekommen, Fremder. Überhaupt keine…«
Suko feuerte.
»Uaahhh…!« So hörte sich der überraschte Todesschrei der Hexe an, als die Kugel sie tötete. Aus dem Körper wurde eine grüne Wolke, die sich stinkend ausbreitete.
Die zweite Hexe merkte sehr schnell, daß ihr hier jemand gegenüberstand, dem sie nicht das Wasser reichen konnte. Deshalb wollte sie sich an Suko vorbeidrücken und aus dem Zimmer fliehen.
Der Chinese ließ sie bis auf seine Höhe kommen. Dann schlug er mit der Peitsche zu.
Drei Riemen trafen.
Die Hexe bekam einen Schlag, der sie nicht nur durchschüttelte, sondern auch aus dem Zimmer in den Flur hineinschleuderte, wo sie zusammenbrach und sich um die eigene Achse rollte.
Schon jetzt befand sie sich in der Auflösung. Ihr Heulen verstummte schnell, und Suko kümmerte sich nicht weiter um sie, sondern um das kleine Mädchen.
Es hatte braunes Haar. Große Augen schauten den Chinesen ängstlich an.
Neben dem Bett kniete Suko nieder. »Du brauchst keine Angst zu haben, Kleine, ich bin jetzt bei dir.«
»Ich habe aber Angst.«
Mit dem angewinkelten Zeigefinger wischte ihr Suko die Tränentropfen von der Wange. »Nein, mein Schatz, wirklich nicht. Dir tut jetzt niemand mehr etwas.«
»Woher kommst du?« fragte sie. »Du gehörst nicht ins Dorf.«
»Nein, ich bin von weit her gekommen.«
»Aber du siehst so komisch aus.«
»Das kommt dir nur so vor.«
»Deine Augen sind anders.«
Da lachte Suko. »Klar, mein Schatz. Nicht jeder kann so schöne Augen haben wie du. Wie heißt du eigentlich?«
»Susan.«
»Und wo sind deine Eltern?«
»Tot.«
Suko schluckte. »Wohnst du allein hier?«
»Bei meinen Großeltern.«
Ein wenig erinnerte den Inspektor die Szene an die aus Darkwater, wo er in einem magisch verseuchten Ort ein kleines Mädchen gefunden hatte, das hinterher ein Verbindungsglied zu der geheimnisvollen und gefährlichen Leichenstadt gewesen war, wo auch die Gräber der Großen Alten lagen. [2] Daran wollte Suko jetzt nicht denken. Er zog Susan hoch und fragte: »Kannst du eigentlich laufen?«
»Klar. Ich bin schon groß.«
»Oh, entschuldige.«
Susan trug ein blaues Kleid, Söckchen und Schuhe. Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute Suko ins Gesicht. »Wie heißt du eigentlich, Mister?«
»Nenne mich Suko.«
»Das ist aber ein komischer Name.«
Suko nahm die Hand der Kleinen. »Wieso? Gefällt er dir nicht?«
Susan nickte eifrig. »Das schon, klar, aber ich habe ihn noch nie vorher gehört. Nennt man bei euch zu Hause die Jungen so?«
»Manchmal.«
Inzwischen hatten Suko und Susan das Zimmer verlassen, befanden sich im Flur und standen am Rand der Treppe. Während Suko noch lauschte, schaute das Kind auf die Überreste der Hexe.
Ein paar Kleidungsfetzen lagen auf den Bohlen, mehr nicht…
Suko drückte den Kopf des Mädchens herum, so daß es nach vorn und nicht zurückschaute. »Komm jetzt, Susan, wir wollen nach draußen gehen!«
Sie nickte. »Sind noch mehr von diesen Hexen da?«
»Leider.«
»Hast du keine Angst?«
Suko lächelte. »Ich habe Angst.«
»Toll, daß du so etwas sagst.«
Sie schritten gemeinsam die Stufen hinab, und Suko fühlte Susans kleine Hand in der seinen.
Wenig später standen sie auf der Straße. Schon im Haus hatte der Inspektor das Schreien der Hexen vernommen. Sie waren wieder wild, reagierten wie aufgedreht, heulten, jaulten und flogen, eingehüllt in kometenartige
Weitere Kostenlose Bücher