03 - Winnetou III
nur direkt belogen, sondern mir auch verschwiegen, daß die Indianer gekommen waren. Sie trugen also die eigentliche Schuld an meiner Gefangennahme, und das beunruhigte sie wahrscheinlich, denn sie waren keine ganz schlechten Menschen. Nun gab sich Santer jedenfalls Mühe, ihnen die Angelegenheit in ein solches Licht zu stellen, daß sie ihm keine Vorwürfe machen konnten.
Die Beratung dauerte gar nicht lange. Die Roten, welche an derselben teilgenommen hatten, erhoben sich von ihren Plätzen, und Pida verkündete seinen Leuten:
„Die Krieger der Kiowas werden nicht hierbleiben, sondern nach ihrem Dorf aufbrechen, sobald sie gegessen haben; sie mögen sich also fertig machen, bald von hier fortzureiten.“
Ich hatte so etwas erwartet, nicht aber Santer, welcher die Sitten und Anschauungen der Indianer nicht so genau kannte wie ich. Er sprang überrascht auf, näherte sich Pida und fragte:
„Fort wollt ihr? Es war aber doch bestimmt, daß wir einige Tage hierbleiben würden!“
„Es ist oft etwas bestimmt worden, was später anders wurde“, antwortete der Häuptling.
„Ihr wolltet den Tod Winnetous feiern!“
„Das werden wir auch tun, nur heut noch nicht.“
„Wann denn?“
„Das werden wir von Tangua erfahren.“
„Aber welchen Grund könnt ihr denn haben, so plötzlich andern Sinnes zu werden?“
„Wir sind dir keine Rechenschaft schuldig; aber ich will es dir dennoch sagen, weil es dabei Old Shatterhand auch mit hört.“
Und mehr zu mir als zu Santer gewendet, fuhr er fort:
„Als wir hierher kamen, um uns über den Tod Winnetous, des Häuptlings der Hunde der Apachen, zu freuen, ahnten wir nicht, daß uns sein Freund und Bruder Old Shatterhand in die Hände fallen sollte. Dieses wichtige Ereignis ist eingetreten und verdoppelt unsere Freude. Winnetou war unser Feind, aber doch ein roter Mann; Old Shatterhand ist auch unser Feind und dazu ein Bleichgesicht; sein Tod muß noch größeren Jubel hervorbringen, als derjenige von Winnetou, und die Söhne und Töchter der Kiowas werden den Tod dieser ihrer beiden berühmtesten Gegner zu gleicher Zeit feiern. Hier steht nur ein geringer Teil unserer Krieger, und ich bin nicht alt genug, um zu bestimmen, wie Old Shatterhand sterben soll. Da muß der ganze Stamm zusammenkommen, und Tangua, der größte und älteste der Häuptlinge, muß seine Stimme erheben, um zu sagen, was geschehen soll. Darum bleiben wir nicht hier, sondern wir beeilen uns, heimzukommen, denn unsere Brüder und Schwestern können nicht früh genug hören, was geschehen ist.“
„Aber es gibt keinen geeigneteren Ort, Old Shatterhand zu Tode zu martern als den, wo wir uns jetzt befinden! Er, euer Feind, stirbt bei den Gräbern derjenigen, um derentwillen er euer Feind geworden ist!“
„Das weiß ich auch. Aber ist es denn schon fest bestimmt, daß er an einem anderen Ort sterben soll? Können wir nicht hierher zurückkehren?“
„Das geht nicht, weil Tangua, der doch dabei sein muß, nicht reiten kann.“
„So läßt er sich von zwei Pferden hertragen. Mag er bestimmen, was er wolle, auf alle Fälle wird Old Shatterhand hier begraben werden.“
„Auch wenn er unten am Salt-Fork sterben muß?“
„Auch dann.“
„Er soll hierher geschafft werden?“
„Ja.“
„Von wem?“
„Von mir.“
„Unbegreiflich! Welchen Grund kann ein vernünftiger roter Krieger dazu haben, sich mit dem Kadaver eines toten, weißen Hundes solche Mühe zu geben!“
„Ich will es dir sagen, damit du Pida, den jungen Häuptling der Kiowas, besser kennen lernst, als du ihn zu kennen scheinst, und damit Old Shatterhand erfährt, wie ich es ihm danke, daß er mich damals nicht getötet, sondern gegen ein Bleichgesicht ausgewechselt hat.“
Und sich abermals mehr an mich als an ihn wendend, erklärte er:
„Old Shatterhand ist zwar unser Feind, aber ein edler Feind. Er konnte unten am Rio Pecos Tangua einst erschießen, hat dies aber nicht getan, sondern ihn nur gelähmt. So hat er stets gehandelt; alle roten Männer wissen das und müssen ihn deshalb ehren. Sein Tod ist unvermeidlich; aber er soll den Tod eines großen Helden sterben, indem er uns beweist, daß ihm Martern, die noch kein Mensch erduldet hat, keinen Laut des Schmerzes zu entlocken vermögen. Und dann, wenn er gestorben ist, soll sein Leib nicht im Fluß von den Fischen gefressen oder auf der Prärie von den Wölfen und Geiern zerrissen werden. Ein bewährter Häuptling, wie er ist, muß ein Grab erhalten zu unserer
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