03 - Winnetou III
gehangen hatten, als sie in unsere Hände und in diejenigen der Kiowas geraten waren. Zwei bewaffnete Krieger setzten sich als Wächter rechts und links von mir nieder. Vor dem Zelt des Häuptlings bildete sich, Tangua gegenüber, ein Halbkreis der Ältesten, um über mein Schicksal, oder vielmehr, da dasselbe schon beschlossen war, über die Art und Weise meines Todes zu beraten. Ehe damit begonnen wurde, kam Pida zu mir und untersuchte die Riemen. Sie waren fürchterlich straff angezogen; er lockerte sie ein wenig und sagte zu den Wächtern:
„Ihr sollt streng auf ihn achtgeben, aber nicht ihn quälen. Er ist ein großer Häuptling der weißen Jäger und hat niemals einen roten Krieger unnötige Schmerzen bereitet.“
Dann entfernte er sich wieder, um an der Beratung teilzunehmen.
Ich stand aufrecht an den Baum gebunden, mit dem Rücken an demselben, und sah die Menge der Frauen, Mädchen und Kinder, welche herbeikamen, um mich zu betrachten. Die Krieger hielten sich fern; ja selbst die Knaben, die kleinen ausgenommen, waren schon zu stolz, mich mit ihrer Neugierde zu belästigen. Haß las ich in keinem einzigen Gesicht sondern nur eine mit Achtung gepaarte Neugierde. Sie wollten den weißen Jäger sehen, von dem sie so viel gehört hatten und dessen Tod ihnen ein Schauspiel bieten sollte, wie sie es so grausam und aufregend vielleicht noch nicht gesehen hatten.
Unter ihnen fiel mir eine junge Indianerin auf, welche noch nicht Squaw zu sein schien. Sie ging, als sie mein Auge auf sich gerichtet sah, abseits, blieb dort abgesondert von den andern stehen und sah nur noch verstohlen zu mir herüber, als ob sie sich schäme, bei den gewöhnlichen ‚Gaffern‘ gestanden zu haben. Sie war nicht gerade schön, aber doch auch keineswegs häßlich; ich hätte sie lieblich nennen mögen. Ihre weichen Gesichtszüge gewannen durch den milden, ernsten und offenen Blick ihres großen Auges an Interesse. Dieses Auge erinnerte mich lebhaft an Nscho-tschi, wenn sie auch sonst keine Ähnlichkeit mit der Schwester des Apachen hatte. Einer augenblicklichen Regung folgend, nickte ich ihr freundlich zu. Da errötete sie bis unter die Haarwurzeln, wendete sich ab und entfernte sich; nach kurzer Zeit blieb sie einen Augenblick lang stehen, um sich noch einmal nach mir umzusehen, dann verschwand sie im Eingang eines der größeren und besseren Zelte.
„Wer war die junge Tochter der Kiowas, welche dort allein stand und jetzt fortgegangen ist?“ fragte ich meine Wächter.
Es war ihnen nicht untersagt worden, mit mir zu sprechen, und so antwortete der eine:
„Das war Kakho-Oto (Dunkles Haar), die Tochter von Sus-Homascha (Eine Feder), der sich schon als Knabe die Auszeichnung errungen hat, eine Feder im Haar zu tragen. Gefällt sie dir?“
„Ja“, antwortete ich, obgleich diese Frage in meiner Lage und von einem Roten ziemlich sonderbar klang.
„Die Squaw unseres jungen Häuptlings ist ihre Schwester“, fügte er hinzu.
„Pidas Squaw?“
„Ja.“
„So ist sie also mit Pida verwandt!“
„Ja. Du siehst ihren Vater mit der einen großen Feder im Schopf dort bei der Beratung sitzen.“
Damit war das kurze Gespräch beendet; es sollte aber Folgen haben, die ich ganz und gar nicht beabsichtigt hatte.
Die Beratung währte lange, wohl über zwei Stunden; dann wurde ich geholt, um mein Schicksal zu vernehmen. Ich hatte lange Reden über die Verbrechen der Weißen überhaupt, dann über meine eigenen anzuhören. Tangua brachte einen nicht enden wollenden Bericht über unsere damalige Gegnerschaft, welche mit der Lähmung seiner beiden Beine endete: es blieb natürlich auch nicht unerwähnt, daß ich dann später Sam Hawkens befreit und mich an Pida vergriffen hatte; kurz, ich bekam ein Sündenregister zu hören, gegen welches keine Gnade oder Schonung aufkommen konnte; aber noch viel länger war dann das Verzeichnis der Qualen, die meiner warteten. Ich glaubte nicht, daß unter allen Weißen, welche jemals von den Indianern zu Tode gemartert worden sind, sich einer befunden hat, der eines so fürchterlichen und langsamen Todes gestorben ist, wie mir in Aussicht stand. Ich konnte außerordentlich stolz auf diese große Auswahl sein, denn sie war der sicherste Maßstab der Achtung, in welcher ich bei diesen liebenswürdigen Leuten stand. Das einzige Tröstliche dabei war, daß man mir eine Gnadenfrist stellte, was seinen Grund in dem Umstand hatte, daß eine Abteilung der Kiowas sich nicht daheim befand; sie sollte nicht um
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