0723 - Kolonie der Cyborgs
auf. Nach einer halben Stunde bemerkte er eine deutliche Lockerung der Fesseln Elmas.
Die Schritte der Wachtposten waren verstummt. Auch Mucys wurden müde und mußten schlafen. Wahrscheinlich waren sie sich ihrer Gefangenen so sicher, daß sie ihre Pflichten nicht so ernst nahmen.
Zwei Stunden später zog Elma ihre rechte Hand aus den Fesseln.
Sie befreite Tifflor, was einige Zeit in Anspruch nahm, denn ihr fehlte das Messer, das man ihr abgenommen hatte. Dann kamen die Fußfesseln dran, und als diese endlich fielen und sie daran gehen wollten, auch die anderen zu befreien, brach draußen plötzlich die Hölle los.
Schreie unterbrachen die Stille der Nacht, und dann hörte Tifflor das unverkennbare Geräusch energetischer Entladungen.
Impulsstrahler!
„Tifflor! Wo seid ihr?" brüllte jemand.
Ein Wutgeheul aus Hunderten von Cyborgkehlen antwortete ihm.
Tifflor packte Elma am Arm und zog sie in den Hintergrund der Hütte. Ein paar dunkle Gestalten stürmten in den Raum, aber zum Glück hatten sie keine Fackeln. Sie bückten sich und überzeugten sich davon, daß die Gefangenen noch da waren.
Aber sie zählten sie nicht, dazu schienen sie zu aufgeregt zu sein.
Tifflor sah ein, daß er jetzt niemanden helfen konnte, wenn er sich und Elma nicht der Gefahr einer neuen Gefangenschaft aussetzen wollte.
Seine tastenden Finger fanden morsches Bretterholz. Vorsichtig drückte er dagegen. Die Latte gab nach, eine schmale Lücke entstand. Er schob Elma hindurch und folgte ihr hastig.
Sie standen hinter der Hütte. Wenige Meter weiter begann der Wald.
„Kommen Sie!" flüsterte er und zog das Mädchen mit sich. „Und die anderen?" hauchte sie. „Nicht jetzt, später! Kein Wort mehr!"
Sie drangen in den Wald ein, bis sie sicher sein konnten, nicht mehr sofort entdeckt zu werden. Morgen am Tag allerdings würde man ihre Spuren schnell finden und ihnen folgen.
Tifflor konnte über das Dach der Hütte hinwegsehen. Im Lager herrschte ein fürchterliches Durcheinander.
Blindlings schleuderten die Mucys ihre Speere den Energieblitzen entgegen. Einige versuchten, das Feuer wieder in Gang zu bringen, während andere seitwärts in den Wald eindrangen, um in den Rücken der Angreifer zu gelangen.
„Serganow ist genau um zehn Minuten zu früh erschienen", sagte Tifflor. „Wahrscheinlich wurde er schneller entdeckt, als ihm lieb war. Ihm bleibt nur noch der Rückzug."
„Ob Helium seine Drohung wahrmacht?"
„Keine Sorge! Tote helfen ihm nicht."
„Und was ist mit uns?"
„Wir müssen versuchen, die Beiboote zu erreichen. In ihnen finden wir Waffen. Dann kehren wir zurück und rollen die Front von hinten her auf."
„Es wird in ein paar Stunden hell, Julian." Er nickte.
„Ich weiß, Elma. Komm, verlieren wir keine Zeit mehr."
Am nahen Flußufer entlang gingen sie mit der Strömung und erreichten bald die Lichtung. Im Schein der wenigen Sterne erkannten sie die Umrisse der beiden Beiboote - und die dunklen Umrisse von mindestens siebzig oder achtzig Cyborgs, die sie bewachten. Es war unmöglich, unbemerkt an sie heran zukommen.
Dicht nebeneinander lagen Tifflor und Elma im feuchten Gras.
„Ich kann Serganows Beiboot nicht entdecken, und mit der WHEEL ist er bestimmt nicht gelandet", flüsterte sie.
„Er ist an einer anderen Stelle gelandet, denn er wußte von der Bewachung hier. Hoffentlich zieht er sich bald zurück. Wir müssen auch verschwinden, ehe es hell wird. Wir können jetzt nichts anderes tun. Außerdem müssen wir etwas finden, das als Waffe zu gebrauchen ist. Hätten wir wenigstensein Messer ...!"
„Werden wir die anderen befreien?"
„Nicht in dieser Nacht. Helium wird die Wachen verdreifachen."
Sie gingen wieder stromaufwärts, an der Siedlung vorbei, bis sie die Holzbrücke über den Fluß erreichten.
Im Osten begann es bereits zu dämmern, als sie auf die andere Seite gelangten und im Wald untertauchten. Weiter flußaufwärts hörten sie das Rauschen der Stromschnellen.
Sie marschierten genau nach Norden und umgingen so den Stausee mit dem Felsenufer, in dem die Höhlen waren. Der Weg war steil und anstrengend, aber als der Morgen graute, befanden sie sich bereits hoch über der Niederung und dem See, der blau zu ihnen heraufleuchtete.
„Wir werden einige Stunden schlafen und dann weiterwandern", schlug Tifflor vor. Er sah, daß Elma total erschöpft war. „So schnell finden sie unsere Spuren nicht, denn das Gelände ist steinig. Außerdem muß unsere Fährte sie verwirren, weil wir
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