09 - Denn sie betrügt man nicht
Glastür und drehte den Kopf in die Richtung. In einem Korridor auf der anderen Seite sprach Emily Barlow mit einem Pakistani mittleren Alters, der wie ein Küchenchef gekleidet war. Akram Malik? fragte sich Barbara. Er wirkte alt und gesetzt genug, um es zu sein. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Sahlah.
»Ich weiß nicht«, sagte Sahlah. »Ich weiß nicht, wieso er sie hatte.« Sie sah immer noch auf die Quittung hinunter. »Vielleicht suchte er eine Möglichkeit, sich zu revanchieren, und dies schien ihm das Beste zu sein. Haytham war ein sehr guter Mensch. Ein sehr aufmerksamer Mensch. Es hätte ihm ähnlich gesehen, daß er versucht hat, den Preis herauszubekommen, um ein Gegengeschenk von gleichem Wert machen zu können.«
»Wie bitte?«
»Lenā-denā«, erklärte Sahlah. »Der Austausch von Geschenken. Das gehört bei uns zum Aufbau einer Beziehung.«
»Das goldene Armband war ein Geschenk für ihn? Von Ihnen? Für Mr. Querashi?«
»Es ist bei uns Brauch, daß ich, als seine Verlobte, ihm etwas schenke. So wie er mir.«
Aber dann blieb die Frage, wo das Armband jetzt war.
Unter Querashis Habe hatte Barbara es nicht gesehen. Sie hatte im Polizeibericht nichts darüber gelesen, daß man es bei der Leiche gefunden hatte. Würde tatsächlich jemand einem anderen auflauern und ihn töten, nur um ein goldenes Armband an sich zu bringen? Menschen hatten schon wegen geringfügigerer Dinge ihr Leben lassen müssen, aber in diesem Fall ... Wie kam es, daß die Vorstellung so unwahrscheinlich erschien?
»Aber er hatte das Armband nicht«, sagte Barbara. »Er hatte es nicht bei sich, und es war auch nicht in seinem Zimmer im Burnt House Hotel. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
Sahlah griff wieder zu dem gelben Stift und beugte sich über die Namensliste. »Ich hatte es ihm noch nicht gegeben«, antwortete sie. »Ich hätte es ihm am Tag des nikah geschenkt.«
»Und was ist das?«
»Der Tag, an dem unser Ehevertrag in aller Form unterzeichnet worden wäre.«
»Dann haben also Sie das Armband.«
»Nein. Ich wollte es nicht behalten. Als ich von seinem Tod erfuhr, bin ich ...« Hier hielt sie inne. Mit den Fingern strich sie über die Ränder des Computerausdrucks, um ihn zu glätten. »Das klingt jetzt sicher absurd und melodramatisch, wie etwas aus einem Roman des letzten Jahrhunderts. Als ich von Haythams Tod hörte, habe ich das Armband vom Pier aus ins Wasser geworfen. Ich bin zum Ende des Piers gegangen und habe es hineingeworfen. Es war eine Art Lebewohl.«
»Und wann war das?«
»Am Samstag. An dem Tag, an dem die Polizei mir mitteilte, was ihm zugestoßen war.«
Damit jedoch war die Frage nach der Quittung immer noch nicht beantwortet. »Er wußte also nicht, daß Sie ihm ein Armband gekauft hatten?«
»Nein.«
»Wieso hatte er dann die Quittung?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber er hätte natürlich gewußt, daß ich ihm etwas schenken würde. Das ist Tradition.«
»Gemäß ... wie nannten Sie es gleich wieder?«
»Lenā-denā. Ja. Und er hätte nicht gewollt, daß sein Geschenk an mich einen geringeren Wert besessen hätte als mein Geschenk an ihn. Damit hätte er meine Familie beleidigt, und in diesen Dingen war Haytham sehr aufmerksam. Ich vermute« - zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs sah sie Barbara an -, »ich vermute, er hat auf eigene Faust ein bißchen Detektiv gespielt, um herauszubekommen, was ich ihm gekauft hatte und wo. Das wäre nicht weiter schwierig gewesen. Balford ist eine Kleinstadt. Die besseren Geschäfte, in denen man etwas für einen Anlaß wie nikah bekommen könnte, sind leicht zu finden.«
Ihre Erklärung war plausibel. Durchaus einleuchtend, dachte Barbara. Der einzige Haken daran war, daß weder Rachel Winfield noch ihre Mutter etwas gesagt hatten, was diese Vermutung auch nur im entferntesten bestätigte.
»Sie haben es also vom Ende des Piers ins Wasser geworfen«, meinte Barbara. »Um welche Zeit?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich habe nicht auf eine Uhr gesehen.«
»Die genaue Zeit wollte ich gar nicht wissen. Aber war es am Morgen? Am Nachmittag? Oder abends?«
»Am Nachmittag. Am Morgen war die Polizei bei uns.«
»Aber nicht abends?«
Vielleicht erkannte sie zu spät, worauf Barbara hinauswollte; ihr Blick wurde plötzlich unsicher. Doch gleichzeitig schien ihr klar zu sein, in welche Schwierigkeiten sie sich bringen würde, wenn sie jetzt ihre Geschichte änderte. Sie sagte: »Es war am Nachmittag.«
Und eine Frau, die wie
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