09 - Denn sie betrügt man nicht
Verbindungsbeamtin?« erkundigte er sich ironisch.
»Sergeant Havers ist heute nachmittag zu einem Gespräch mit Ihnen bereit«, erwiderte Emily. »Um fünf Uhr in der Dienststelle.«
»Vier Uhr paßt uns besser«, konterte Muhannad. Er versuchte gar nicht erst zu verbergen, was er mit dieser Entgegnung bezweckte: Dominanz.
Emily spielte nicht mit. »Ich kann Ihnen leider nicht garantieren, daß meine Mitarbeiterin schon um vier dasein wird«, erklärte sie gelassen. »Aber Sie können es natürlich um vier versuchen. Wenn Sergeant Havers bei Ihrer Ankunft noch nicht da ist, wird sich einer der Beamten Ihrer annehmen.« Sie lächelte freundlich.
Muhannad Malik bedachte zuerst Emily, dann Barbara mit einem Blick, wobei er das Gesicht verzog, als wäre ihm ein übler Geruch in die Nase gestiegen. Nachdem er ihnen solcherart seine Meinung über sie mitgeteilt hatte, wandte er sich an Azhar. »Cousin«, sagte er kurz und steuerte auf die Fabrik zu.
»Kumhar, Mr. Malik«, rief Emily ihm nach, als er die Hand schon an der Tür hatte. »F. Kumhar.«
Muhannad blieb stehen und drehte sich um. »Wollen Sie mich etwas fragen, Inspector Barlow?« »Ist Ihnen dieser Name bekannt?«
»Warum fragen Sie?«
»Wir sind auf ihn gestoßen. Weder Ihre Schwester noch Mr. Armstrong kannte ihn. Ich dachte, Ihnen wäre er vielleicht bekannt.«
»Warum?«
»Wegen Jum'a. Ist Kumhar Mitglied?«
»Jum'a?« Muhannads Gesicht verriet nichts.
»Ja. Jum'a. Ihr Club, Ihre Organisation, Ihre Vereinigung. Was immer es ist. Sie glauben doch nicht, daß die Polizei nichts davon weiß?«
Er lachte leise. »Mit dem, was die Polizei nicht weiß, könnte man Bände füllen.« Er stieß die Tür auf.
»Kennen Sie Kumhar?« beharrte Emily. »Es ist doch ein asiatischer Name, oder?«
Wieder blieb er stehen, halb im Licht, halb im Schatten. »Da schimmert Ihr Rassismus durch, Inspector. Aus der Tatsache, daß es sich um einen asiatischen Namen handelt, folgt noch lange nicht, daß ich mit dem Mann bekannt bin.«
»Ich habe nicht gesagt, daß Kumhar ein Mann ist.«
»Passen Sie auf, daß Sie nicht in Ihre eigenen Fallen stolpern. Sie haben mich gefragt, ob Kumhar zu Jum'a gehört. Wenn Sie über Jum'a Bescheid wissen, wissen Sie vermutlich auch, daß nur Männer zugelassen sind. So, gibt es sonst noch was? Wir haben nämlich zu arbeiten.«
»Ja, es gibt noch etwas«, sagte Emily. »Wo waren Sie an dem Abend, an dem Mr. Querashi getötet wurde?«
Muhannad ließ die Tür los. Er trat zurück ins Licht und setzte seine Sonnenbrille wieder auf. »Wie bitte?« fragte er pointiert, eindeutig um des Effekts willen und nicht, weil er die Frage nicht verstanden hatte.
»Wo waren Sie an dem Abend, an dem Mr. Querashi getötet wurde?« wiederholte Emily.
Er schnaubte verächtlich. »So, dahin haben Ihre Ermittlungen also geführt. Wie ich es erwartet habe. Ein Paki ist tot, also muß ein Paki es getan haben. Und welcher Paki wäre in Ihren Augen besser geeignet für die Rolle des Verdächtigen als ich?«
»Das ist eine höchst interessante Beobachtung«, stellte Emily fest. »Vielleicht würden Sie sie mir näher erklären.«
Wieder nahm er seine Sonnenbrille ab. Sein Blick war voller Verachtung. Das Gesicht Taymullah Azhars, der hinter ihm stand, war verschlossen. »Ich bin Ihnen im Weg«, sagte Malik. »Ich kümmere mich um meine Leute. Ich möchte ihnen helfen, stolz auf ihre Herkunft zu sein. Ich möchte, daß sie den Kopf hoch tragen. Ich möchte ihnen begreiflich machen, daß man nicht weiß zu sein braucht, um etwas wert zu sein. Und das alles stinkt Ihnen gewaltig, Inspector Barlow. Da bietet es sich für Sie doch geradezu an, meine Leute zu unterdrücken - sie durch Erniedrigung in eine Unterwürfigkeit zu zwingen, mit der Sie leben können -, indem Sie mich ins Scheinwerferlicht Ihrer erbärmlichen Untersuchung rücken.«
Der Mann war nicht dumm, dachte Barbara. Wie ließ sich Dissens in einer Gemeinschaft besser ausschalten als dadurch, daß man ihr den Anführer der Dissidenten als Gott auf tönernen Füßen vorführte? Aber - vielleicht war er das ja auch. Barbara sandte einen raschen Blick zu Azhar, um zu sehen, wie er auf den Wortwechsel zwischen Emily und seinem Cousin reagierte. Sie bemerkte, daß er nicht Emily beobachtete, sondern sie selbst. Sehen Sie, schien seine Miene zu sagen. Denken Sie an unser Frühstücksgespräch.
»Das ist eine glänzende Analyse meiner Motive«, sagte Emily zu Muhannad. »Und Sie können sich darauf
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