09 - Denn sie betrügt man nicht
mit dem Zeug. In einer Kiste sind sechsunddreißig Gläser. Außerdem hab' ich nicht nur lauter Senf oder Soße oder Marinade genommen, wo es dann für die Großbestellung von irgendeinem superwichtigen Kunden knapp geworden wär'. Ich hab' alles gemischt.«
»Aha, Sie haben ein Sortiment zusammengestellt. Ich verstehe schon.«
Er warf Barbara einen finsteren Blick zu, ehe er sich wieder der Spinne widmete. Das Tier hatte einen sehr echt aussehenden Körper, bei dem Kopfbruststück und Hinterleib, aus unterschiedlich großen Schwämmen gemacht, durch einen Einschnitt voneinander getrennt waren. Während Barbara das Modell betrachtete, überlegte sie beiläufig, wie die beiden Körpersegmente miteinander verbunden waren. Durch Klebstoff? Mit Heftklammern? Oder hatte der junge Mr. Ruddock vielleicht Draht benützt? Sie hielt auf dem Tisch nach einer Rolle Draht Ausschau, doch in dem Durcheinander von Utensilien zur Spinnenfertigung, Insektenbüchern, aufgeschlagenen Zeitungen, halb niedergebrannten Kerzen und Werkzeugkästen konnte sie nichts dergleichen entdecken. Ihr war schleierhaft, wie er in dieser Unordnung überhaupt irgend etwas finden konnte.
»Mir ist berichtet worden, daß Mr. Querashi Sie entlassen hat. Ist das richtig?«
»Wenn Sie's so gehört haben, wird's wohl stimmen.«
»Haben Sie eine andere Version?« Barbara sah sich nach einem Aschenbecher um, fand aber keinen. Trevor schob ihr einen leeren Joghurtbecher hin, der innen bereits mit Asche verkrustet war.
»Kann schon sein«, sagte er.
»Sind Sie zu Unrecht entlassen worden? Hat Querashi vorschnell gehandelt?«
Trevor sah von seiner Spinne auf. Zum ersten Mal fiel Barbara auf, daß er unter dem linken Ohr eine Tätowierung hatte. Es war ein Spinnennetz mit einer unangenehm realistisch aussehenden Spinne, die auf dem Weg zur Netzmitte war.
»Sie meinen, hab' ich ihn umgebracht, weil er mich rausgeschmissen hat? Das ist doch Ihre Frage?« Trevor zupfte an den Pfeifenreinigerbeinen der Spinne, bis es aussah, als wären sie von Haaren bedeckt. »Ich bin nicht blöd, wissen Sie. Ich hab' den Standard heut schon gesehen. Ich weiß, daß die Polizei von Mord redet. Ich hab' mir gleich gedacht, daß einer von Ihrer Truppe bei mir vorbeischauen würde. Und da sind Sie ja auch schon. Ich hab' ein Motiv, stimmt's?«
»Erzählen Sie mir doch etwas über Ihre Beziehung zu Mr. Querashi, Trevor.«
»Ich hab' ein paar Gläser aus der Packerei geklaut. Ich hab' in der Versandabteilung gearbeitet, da war das ein Kinderspiel. Querashi hat mich erwischt und rausgeschmissen. Und das ist die Geschichte unserer Beziehung.« Trevor gab dem letzten Wort sarkastischen Nachdruck mit.
»War das nicht riskant, die Gläser aus der Packerei zu nehmen, wo Sie doch nicht in der Packerei gearbeitet haben?«
»Ich hab' sie doch nicht geklaut, wenn jemand drin war. Ich hab' immer mal in den Pausen hier ein Glas und da ein Glas mitgehen lassen. Gerade so viel, um es in Clacton verhökern zu können.«
»Sie haben die Gläser verkauft? Warum? Brauchten Sie Geld? Wozu?«
Trevor stand vom Tisch auf. Er ging zum Fenster und schob den Vorhang zurück. Im Licht der Sonne sah man rissige Wände und schäbige alte Möbel. An manchen Stellen war der Teppich auf dem Boden bis auf seine Unterseite durchgetreten. Aus irgendeinem Grund hatte jemand auf ihm eine schwarze Linie gezogen, die den Schlafbereich vom Arbeitsbereich trennte.
»Mein Dad kann nicht arbeiten. Und ich bin so blöd, daß ich gern verhindern möchte, daß die Familie auf der Straße landet. Charlie hilft auch mit. Er schaut immer, daß er hier in der Nachbarschaft Gelegenheitsjobs kriegt, und Stella geht manchmal zum Babysitten. Aber wir sind hier zu acht, und alle haben Hunger. Drum verkaufen Mam und ich alles, was geht, auf dem Markt in Clacton.«
»Und die Gläser aus der Firma Malik gehörten auch dazu.«
»Genau. Viele waren's sowieso nicht, und wir haben sie billiger verkauft. Geschadet hat das bestimmt niemand. Mr. Malik verkauft ja sein Zeug gar nicht hier. Er verkauft's nur an teure Geschäfte und solche Nobelrestaurants.«
»Da haben Sie also im Grund den Verbrauchern einen Gefallen getan?«
»Kann schon sein.« Er drückte sein Gesäß an das Fensterbrett und drehte die Zigarette in seinem Mund zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. Das Fenster stand weit offen, aber sie hätten sich ebensogut im Inneren eines Bratrohrs befinden können.
»Ich hab' gedacht, es könne nichts passieren, wenn
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