09 - Denn sie betrügt man nicht
nichts zu befürchten, Hayth und ich.« Doch plötzlich kniff er die Augen zusammen und runzelte die Stirn.
»Ja?« fragte Emily sofort.
»Einen Moment lang dachte ich ... Aber nein, ausgeschlossen, der hat uns ja nicht gesehen. Und erzählt hat ihm Haytham bestimmt nichts, gerade ihm nicht.«
»Wovon sprechen Sie, Mr. Hegarty?«
»Von Muhannad.«
»Muhannad Malik?«
»Ja, genau. Den haben wir dort gesehen.«
Heiliger Strohsack, dachte Barbara. Konnte denn dieser Fall noch verwickelter werden? »Muhannad Malik ist auch homosexuell?« fragte sie.
Hegarty lachte wiehernd und griff an die Windelnadel, die sein Ohrläppchen zierte. »Doch nicht im Hotel. Wir haben ihn hinterher gesehen, als wir weggefahren sind. Er war direkt vor uns und ist dann rechts abgebogen, nach Harwich. Es war ein Uhr morgens, und Haytham konnte sich nicht vorstellen, was Muhannad mitten in der Nacht in dieser Gegend zu tun hatte. Da sind wir ihm gefolgt.«
Barbara sah, wie Emilys Hand sich fester um den Bleistift schloß, den sie hielt. Ihre Stimme jedoch verriet nichts. »Und wohin ist er gefahren?«
Zu einem Industriegebiet am Stadtrand von Parkeston, antwortete Hegarty. Er habe vor einem der Lagerhäuser geparkt, sei ungefähr eine halbe Stunde lang drin verschwunden und dann wieder gefahren.
»Und Sie sind sicher, daß es Muhannad Malik war?« fragte Emily.
Daran gebe es überhaupt keinen Zweifel, erklärte Hegarty. Der Kerl habe seinen türkisfarbenen Thunderbird gefahren, und so einen Schlitten gäbe es in Essex ja wohl nur einmal. »Das heißt, das stimmt nicht ganz«, korrigierte sich Hegarty plötzlich. »Er hat gar nicht seinen Wagen gefahren, als er wieder weg ist. Er hat einen LKW gefahren. Er kam in dem LKW aus dem Lagerhaus raus. Danach haben wir ihn nicht mehr gesehen.«
»Sie sind ihm nicht weiter gefolgt?«
»Das wollte Hayth nicht riskieren. Hätte ja sein können, daß Muhannad uns sieht.«
»Und wann war das genau?«
»Im letzten Monat.«
»Mr. Querashi hat nie wieder darüber gesprochen?«
Hegarty schüttelte den Kopf.
Die Intensität von Emilys Interesse verriet Barbara, wie sehr diese darauf brannte, dieser neuen Information nachzugehen. Doch dem Muhannad-Malik-Weg folgen hieß, den anderen Wegweiser, den Hegarty ihnen vorher gezeigt hatte, ignorieren. Fürs erste drängte Barbara die Gedanken an Sahlah Maliks Schwangerschaft, die sie so heftig beschäftigten, in den Hintergrund. Man konnte deswegen nicht einfach vergessen, daß es einen weiteren Verdächtigen gab.
»Um noch mal auf Ihren Freund zurückzukommen«, sagte sie, »Gerry DeVitt.«
Hegarty, der mit der Zeit direkt locker geworden war und seine eigene Wichtigkeit zu genießen schien, ging sofort wieder in Abwehrstellung. Sein Blick, der wachsam und mißtrauisch wurde, verriet es. »Was ist mit ihm? Sie glauben doch nicht, daß Gerry ...? Hören Sie, ich hab's Ihnen doch schon gesagt. Er hatte keine Ahnung von mir und Hayth. Das ist doch genau der Grund, warum ich mit Ihnen nicht sprechen wollte.«
»Warum Sie angeblich nicht mit uns sprechen wollten«, versetzte Barbara.
»Er hat an dem Abend in Hayths Haus gearbeitet«, beharrte Hegarty. »Fragen Sie doch die Leute in der First Avenue. Die haben bestimmt das Licht gesehen. Und das Hämmern und Klopfen gehört. Ich hab' Ihnen gesagt, was passiert wäre, wenn er dahintergekommen wäre, daß zwischen Hayth und mir was war. Er hätte mich abserviert. Niemals hätte er Hayth umgebracht. Das ist nicht seine Art.«
»Mord ist niemandes Art, Mr. Hegarty«, sagte Emily.
Sie beendete die Vernehmung in aller Form, gab die Zeit an und schaltete den Kassettenrecorder aus. »Es kann sein, daß wir uns noch einmal bei Ihnen melden«, sagte sie, als sie aufstand.
»Aber Sie rufen mich nicht zu Hause an«, forderte er. »Sie werden nicht nach Jaywick kommen.«
»Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe«, sagte Emily statt einer Antwort. »Constable Eyre wird Sie jetzt wieder zu Ihrer Arbeit zurückbringen.«
Barbara folgte Emily in den Korridor hinaus, wo diese leise und nachdrücklich erklärte, daß Gerry DeVitt, ob er nun ein Motiv habe oder nicht, keinesfalls ihren Hauptverdächtigen verdrängen könne. »Ganz gleich, was für Zeug es ist, Muhannad bringt es in die Fabrik. Dort packt er es in Kartons oder Kisten, die er dann beim übrigen Versandgut lagert. Er weiß genau, wann die einzelnen Lieferungen rausgehen. Herrgott noch mal, das gehört zu seinem Job. Er braucht seine eigenen Lieferungen nur
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