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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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während sie in Wirklichkeit jede Sekunde von einem Rudel Wölfe beobachtet wurden.
    Aber sie würde ihm zeigen, daß sie ihm auf die Schliche gekommen war. Wie Lazarus würde sie sich von ihrem Krankenbett erheben, eine unüberwindbare Macht, die Akram Malik - mit all seinen Plänen - nicht besiegen konnte.
    Agatha merkte plötzlich, daß die Schwester gegangen war. Der scharfe Geruch ihres Deos hatte sich verflüchtigt, zurückgeblieben waren die Gerüche der Medikamente, der Plastikschläuche, ihrer eigenen Körpersekretionen, der Bodenpolitur.
    Sie öffnete die Augen. Man hatte ihre Matratze leicht angehoben, so daß sie wenigstens nicht ganz flach auf dem Rücken lag. Das war eine wesentliche Verbesserung im Vergleich zu den Stunden unmittelbar nach ihrem Schlaganfall. Da hatte sie nichts sehen können als verschwommene Schallschutzplatten. Jetzt konnte sie wenigstens in den Fernseher schauen, wenn auch der Ton heruntergestellt war und die Schwester vergessen hatte, ihn beim Gehen höherzudrehen. Gerade wurde ein Film gezeigt, in dem ein völlig aufgelöster Ehemann, viel zu hübsch, um wahr zu sein, seine hochschwangere und noch hübschere Ehefrau zur Entbindung im Rollstuhl in eine Notaufnahme schob. Nach ihrem absurden Verhalten und ihrer Mimik zu urteilen, sollte es wohl eine Komödie sein. In der Tat lachhaft, dachte Agatha. Keine Frau, die sie kannte, hatte den Akt der Geburt je komisch gefunden.
    Mit einer großen Anstrengung gelang es ihr, den Kopf ein klein wenig zu drehen; es reichte ihr, um das Fenster sehen zu können. An der verwaschenen Farbe des Stück Himmels in ihrem Gesichtsfeld sah sie, daß die Hitze ungebrochen war. Doch sie spürte nichts von den Temperaturen draußen, das Krankenhaus gehörte zu den wenigen Gebäuden im näheren Umkreis von Balford, die tatsächlich eine Klimaanlage hatten. Sie hätte es genossen - wäre sie nur zu Besuch im Krankenhaus gewesen, zum Beispiel bei jemandem, der Unglück verdient hatte. Sie hätte mit Leichtigkeit zwanzig Leute nennen können, die dieses Unglück mehr verdient hatten als sie. Sie dachte über diesen Aspekt nach. Sie begann, diese zwanzig Personen namentlich aufzuzählen. Sie amüsierte sich damit, jedem von ihnen seine eigene persönliche Qual zuzuteilen.
    Darum merkte sie zuerst nicht, daß jemand ins Zimmer gekommen war. Erst ein vorsichtiges Hüsteln verriet ihr, daß sie Besuch hatte.
    Jemand sagte leise: »Nein, bewegen Sie sich nicht, Mrs. Shaw. Gestatten Sie mir, näher zu treten.« Sie hörte Schritte, und plötzlich sah sie sich von Angesicht zu Angesicht mit ihrem finstersten Feind: Akram Malik.
    Sie stieß ein unartikuliertes Geräusch aus. »Was wollen Sie? Verschwinden Sie. Hinaus mit Ihnen. Ich werde mir Ihre widerliche Schadenfreude nicht gefallen lassen« sollte das heißen, kam jedoch - infolge der wirren Botschaften, die ihr beschädigtes Gehirn aussandte - nur in einem unverständlichen Schwall primitiver Heul- und Stöhnlaute heraus.
    Akram sah sie sehr intensiv an. Zweifellos, dachte sie, machte er Bestandsaufnahme und versuchte, sich eine Vorstellung davon zu verschaffen, wie weit er sie noch treiben mußte, damit sie ins Grab stürzte. Dann wäre für ihn der Weg frei, seine schändlichen Pläne für Balford-le-Nez in die Tat umzusetzen.
    »Ich sterbe noch nicht, Sie schlitzohriger schwarzer Teufel. Sie können sich also diesen heuchlerischen Blick der Anteilnahme vom Gesicht wischen. Sie bringen mir ungefähr so viel Anteilnahme entgegen, wie ich unter ähnlichen Umständen Ihnen entgegenbringen würde.« Doch was sie aus ihrem Mund hervorbrachte, war einzig eine auf- und abschwingende Abfolge ungeformter Laute.
    Akram sah sich im Zimmer um und verschwand einen Moment aus ihrem Blickfeld. In heller Panik glaubte sie, er wolle die Maschinen abschalten, die hinter ihrem Kopf summten und piepten. Doch er kehrte mit einem Stuhl zurück und setzte sich.
    Jetzt sah sie auch, daß er einen Blumenstrauß dabeihatte. Er legte ihn auf den Tisch neben ihrem Bett. Aus seiner Jackentasche zog er ein kleines, in Leder gebundenes Büchlein. Er legte es auf seine Knie, schlug es jedoch nicht auf. Er senkte den Kopf und begann zu murmeln, einen Strom von Wörtern in seinem pakistanischen Kauderwelsch.
    Wo ist Theo? dachte Agatha verzweifelt. Warum war er nicht hier, um ihr dies zu ersparen? Akram Maliks Stimme war durchaus milde, aber sie würde sich von diesem Ton nicht täuschen lassen. Wahrscheinlich sprach er gerade Verwünschungen

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