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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Sie noch viele Jahre unter uns leben.«
    Danach neigte er sich herab und berührte mit seinen Lippen ihre deformierte, häßliche, verkrüppelte Hand.
    Und da ihr die Sprache fehlte, etwas zu erwidern, fragte sie sich, wie um alles in der Welt sie jemandem den Auftrag geben sollte, sie ihr zu waschen.
    Barbara versuchte wie der Teufel, mit ihren Gedanken da zu bleiben, wo sie hingehörten, nämlich bei den Ermittlungen. Aber sie schweiften immer wieder ab, in Richtung London, genau gesagt nach Chalk Farm und Eton Villas, noch genauer gesagt, zu der Erdgeschoßwohnung in einer alten gelben Villa. Zuerst sagte sie sich, da müsse ein Irrtum vorliegen. Entweder gab es zwei Taymullah Azhars in London, oder die Informationen, die die Abteilung SO11 der Metropolitan Police geliefert hatte, waren ungenau, unvollständig oder schlichtweg falsch. Aber die wesentlichen Fakten, die die Londoner Nachrichtenabteilung über den Pakistani, dem die Anfrage gegolten hatte, mitgeteilt hatte, stimmten mit denen überein, die Barbara über Azhar bereits bekannt waren. Und als sie den Bericht selbst las - nach der Rückkehr in Emilys Büro -, mußte sie zugeben, daß die Beschreibung in vieler Hinsicht mit dem Bild identisch war, das sie bereits hatte. Die Privatadresse war dieselbe; das Alter des Kindes war ebenso korrekt wie der Hinweis auf die Abwesenheit der Mutter. Azhar, hieß es, sei Professor für Mikrobiologie - auch das stimmte, wie Barbara wußte - und in einer Londoner Gruppe namens »Asiatische Rechtshilfe« aktiv, was zu der gründlichen Sachkenntnis, die er bei ihren Verhandlungen an den Tag gelegt hatte, paßte. Der Azhar, von dem in dem Bericht aus London die Rede war, mußte also der sein, den sie kannte. Nur schien der Azhar, den sie kannte, nicht der zu sein, den sie zu kennen glaubte. Und damit war alles, was ihn betraf, in Frage gestellt, insbesondere seine Position innerhalb der Ermittlungen.
    Das gibt's doch nicht, dachte sie. Jetzt brauchte sie erst mal eine Zigarette. Dringend. Und während Emily vor sich hin schimpfte, weil ihr schon wieder einer dieser lästigen und zeitraubenden Anrufe ihres Superintendent ins Haus stand, rannte Barbara in die Toilette, zündete sich mit fliegenden Fingern eine Zigarette an und inhalierte so gierig wie ein Taucher, dem die Luft knapp wird.
    Vieles, was Taymullah Azhar und seine Tochter anging, wurde ihr jetzt verständlich: Hadiyyahs achter Geburtstag, bei dem sie der einzige Gast gewesen war; eine Mutter, die angeblich nach Ontario gereist war, aber ihr einziges Kind nicht einmal durch eine Postkarte wissen ließ, wo genau sie sich befand; ein Vater, der niemals die Worte »meine Frau« aussprach, überhaupt nicht von der Mutter seines Kindes sprach, es sei denn, das Thema wurde ihm aufgezwungen; nirgends in der Wohnung Spuren, die verraten hätten, daß bis vor kurzem eine erwachsene Frau hier gelebt hatte. Kein irgendwo stehengelassenes Nagellackfläschchen, keine abgelegte Handtasche, keine Näh- oder Stricksachen, keine Vogue oder Elle, keine unaufgeräumten Utensilien irgendeines Hobbys wie Aquarellmalen oder Blumenstecken. Hatte Angela Weston - Hadiyyahs Mutter - überhaupt je in Eton Villas gelebt? fragte sich Barbara. Und wenn nicht, wie lange wollte Azhar dann noch das Märchen von der Mama im Urlaub aufrechterhalten, wenn die Wahrheit »Mama ist durchgebrannt« hieß?
    Barbara ging zum Toilettenfenster und blickte zu dem kleinen Parkplatz hinunter. Constable Honigman führte gerade einen frisch gewaschenen, frisch gekämmten und frisch gekleideten Fahd Kumhar zu einem Streifenwagen. Während sie noch hinuntersah, näherte sich Azhar den beiden Männern. Er sprach Kumhar an. Honigman trat dazwischen. Er schob seinen Schützling in den Fond des Streifenwagens. Azhar ging zu seinem eigenen Fahrzeug, und als Honigman losfuhr, folgte er ihnen, ohne zu versuchen, diesen Umstand zu verbergen. Er war, wie versprochen, gekommen, um Fahd Kumhar nach Hause zu bringen. Und er war offensichtlich nicht bereit, sich davon abhalten zu lassen.
    Ein Mann von Wort, dachte Barbara. Ein Mann von vielen Worten.
    Sie dachte an die Erklärungen zurück, die er ihr als Antwort auf ihre Fragen über seine Kultur gegeben hatte, und sah jetzt, in welchem Maß er selbst betroffen war. Er war von seiner Familie verstoßen worden, genau wie ihm zufolge Querashi verstoßen worden wäre, wäre seine Homosexualität an den Tag gekommen. Seine Familie hatte sich so endgültig von ihm losgesagt, daß

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