09 - Denn sie betrügt man nicht
Männer in der Hitze zu flirren schien.
Cliff schluckte. Gott, war er durstig. Er konnte sich auf dem Marktplatz eine Flasche Wasser holen oder einen Saft oder eine Cola. Und da er nun schon einmal hier war, konnte er auch gleich die Einkäufe machen. Er mußte auf jeden Fall beim Metzger vorbei, um das Steak zu holen, und obwohl er sich vorher überlegt hatte, daß er alles übrige im Lebensmittelgeschäft in Jaywick einkaufen konnte ... War es nicht viel gescheiter, alles gleich hier zu besorgen, wo die Ware frisch war und ebenso die Luft, die man atmete? Er konnte den Salat, das Gemüse und die Kartoffeln mitnehmen, und wenn er noch Zeit hatte - und die hatte er ja, schließlich hatte er sich einen halben Tag frei genommen, oder? -, konnte er ein bißchen an den Ständen herumstöbern und schauen, ob er nicht zur Feier des Tages eine nette Kleinigkeit für Gerry fand.
Und überhaupt, er hatte einen solchen Durst, daß er unbedingt was trinken mußte, bevor er auch nur einen Kilometer weiterfuhr. Auch wenn er nicht hier einkaufte, würde er hier auf jeden Fall etwas finden, was diesen brennenden Durst löschte.
Er drückte die Tür auf, stieß sie mit dem Fuß hinter sich zu und schritt zuversichtlich auf den Marktplatz. Er erstand das Wasser, das er suchte, und trank die ganze Flasche in einem Zug hinunter. Ha, er fühlte sich fast wieder menschlich. Er schaute sich nach einem Mülleimer für die leere Flasche um. Und da sah er, daß Plucky, der Schalverkäufer, ganze Stapel seiner imitierten Designerkrawatten, Schals und Taschentücher im Sonderangebot hatte. Das wäre doch ein Geschenk für Ger. Er brauchte ihm ja nicht zu sagen, wo er es gekauft hatte.
Er drängte sich zu dem Stand durch, wo die farbenfrohen Stücke, mit Wäscheklammern befestigt, an einer Leine flatterten. Es gab Schals in allen Größen und Mustern, die mit Pluckys gewohntem Auge für künstlerisches Detail arrangiert waren. Er sortierte sie immer nach Farbnuancen, wobei er sich einer Farbmusterkarte bediente, die er im örtlichen Haushaltswarengeschäft hatte mitgehen lassen.
Cliff rieb sie zwischen den Fingern. Er liebte ihre seidige Glätte auf seiner Haut. Am liebsten hätte er sein Gesicht in ihnen vergraben, so angenehm kühl fühlten sie sich bei dieser gnadenlosen Hitze an. Und - »Schön, nicht?« Die Stimme erklang von rechts. Dort waren auf einem Tisch in Schachteln verpackte Taschentücher ausgelegt, und vor ihnen stand ein Kerl in so einem knappen Ringerhemd, das von den Schultern nach innen ging und seine wohlentwickelten Brustmuskeln zeigte. Auch seine Brustwarzen ließ es sehen, wie Cliff vermerkte, und eine von ihnen war gepierct.
Verdammt gutaussehender Bursche, dachte Cliff. Mächtige Schultern, dazu die reinste Wespentaille und Shorts, die so kurz und so knalleng waren, daß Cliff unbehaglich von einem Fuß auf den anderen trat, als sein Körper auf das reagierte, was seine Augen wahrnahmen.
Es wäre nichts weiter erforderlich, als diesem Kerl in die Augen zu sehen und etwas wie »Ja, echt schön« zu sagen. Danach ein Lächeln - immer noch seinen Blick festhaltend -, und alles wäre klar.
Aber er mußte noch das Gemüse für das Abendessen einkaufen. Er mußte den Salat besorgen, die Kartoffeln. Er mußte das Essen machen. Das Essen für Gerry. Zur Feier von Einigkeit, unverbrüchlicher Treue und lebenslanger Monogamie.
Doch Cliff konnte seinen Blick nicht von dem Burschen wenden. Er war braungebrannt und fit, und seine Muskeln glänzten in der Nachmittagssonne. Er sah aus wie eine zum Leben erwachte Skulptur. Ach verdammt, dachte Cliff, warum konnte Gerry nicht so aussehen?
Immer noch wartete der andere auf eine Reaktion. Als spürte er Cliffs inneren Konflikt, versuchte er es mit einem Lächeln. Er sagte: »Irre heiß heute, nicht? Aber ich mag's heiß. Du auch?«
Mein Gott, dachte Cliff. Lieber Gott.
Zum Teufel mit Gerry. Immer mußte er klammern. Immer mußte er fordern. Immer mußte er einen mit seinen endlosen verdammten Fragen ins Verhör nehmen. Warum konnte er einem nicht einfach vertrauen? Merkte er denn nicht, wozu er einen mit seinem Verhalten treiben konnte?
Cliff warf einen Blick zu den Toiletten auf der anderen Seite des Platzes. Dann sah er den Kerl wieder an.
»Mir kann's gar nicht heiß genug sein«, sagte er.
Und dann schlenderte er ganz lässig hinüber zum Pissoir.
25
Das letzte, was Emily brauchte, war eine weitere Konfrontation mit einem der Asiaten, aber als Constable Honigman
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