09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
die Stadt zu verlassen.«
Daenerys hatte von Zhak und Merreq die Nase voll; sie hatte die Nase von allen Meereenern voll, von den großen und den kleinen. »Sollen sie gehen, aber sie dürfen nicht mehr mitnehmen als die Kleider, die sie auf dem Leib tragen. Sorgt dafür, dass ihr Gold hier bei uns bleibt. Und auch ihre Lebensmittelvorräte.«
»Euer Herrlichkeit«, murmelte Reznak mo Reznak, »wir wissen nicht, ob sich diese großen Edlen dem Feind anschließen wollen. Vermutlich wollen sie nur zu ihren Anwesen in den Hügeln.«
»Dann werden sie nichts dagegen einzuwenden haben, dass wir auf ihr Gold aufpassen. In den Hügeln gibt es nichts zu kaufen.«
»Sie haben Angst um ihre Kinder«, wandte Reznak ein.
Ja, dachte Daenerys, ich auch. »Wir müssen auch für deren Sicherheit sorgen. Ich möchte von jedem zwei Kinder. Auch aus den anderen Pyramiden. Jeweils einen Jungen und ein Mädchen.«
»Geiseln«, stellte Skahaz fröhlich fest.
»Pagen und Mundschenke. Wenn die Großen Herren Einspruch erheben, erklärt ihnen, dass es in Westeros als große Ehre für ein Kind gilt, zum Dienst am Hof auserkoren zu werden.« Den Rest ließ sie unausgesprochen. »Geht und tut, was ich befohlen habe. Ich muss jetzt um meine Toten trauern.«
Als sie in ihre Gemächer auf der Spitze der Pyramide zurückkehrte, fand sie Missandei, die leise auf ihrer Pritsche weinte und sich Mühe gab, ihr Schluchzen in den Kissen zu ersticken. »Komm, schlaf bei mir«, sagte sie zu ihrer kleinen Schreiberin. »Es wird noch Stunden dauern, bis der Tag anbricht.«
»Euer Gnaden ist zu freundlich zu dieser hier.« Missandei schlüpfte unter die Laken. »Er war ein guter Bruder.«
Dany nahm das Mädchen in die Arme. »Erzähl mir von ihm.«
»Als wir klein waren, hat er mir beigebracht, wie man auf einen Baum klettert. Er konnte Fische mit den bloßen Händen fangen. Einmal habe ich ihn im Garten gefunden, da schlief er, und hundert Schmetterlinge krabbelten auf ihm herum. Er sah an jenem Morgen so schön aus, diese hier … ich meine, ich habe ihn geliebt.«
»So wie er dich geliebt hat.« Dany strich dem Mädchen durchs Haar. »Sag es nur, meine Süße, und ich werde dich von diesem schrecklichen Ort fortschicken. Irgendwie werde ich ein Schiff für dich auftreiben, und dann kannst du nach Hause fahren. Nach Naath.«
»Ich würde lieber bei Euch bleiben. Auf Naath hätte ich Angst. Wenn die Sklavenjäger wieder kommen? Bei Euch fühle ich mich sicher.«
Sicher. Bei dem Worten traten Dany die Tränen in die Augen. »Ich möchte für deine Sicherheit sorgen.« Missandei war noch ein Kind. Bei ihr konnte sie sich selbst wie ein Kind fühlen. »Niemand hat für meine Sicherheit gesorgt, als ich klein war. Na ja, Ser Willem schon, aber dann ist er gestorben, und Viserys … Ich möchte dich beschützen, aber … es ist so schwierig. Stark zu sein. Ich weiß nicht immer, was ich tun soll. Ich muss es aber wissen. Ich bin alles, was sie haben. Ich bin die Königin … die … die …«
»… die Mutter«, flüsterte Missandei.
»Die Mutter der Drachen.« Dany zitterte.
»Nein. Unser aller Mutter.« Missandei schloss die Arme fester um sie. »Euer Gnaden sollte schlafen. Bald wird es dämmern, und dann müsst Ihr Hof halten.«
»Wir schlafen beide und träumen von schöneren Tagen. Schließ die Augen.« Dany küsste sie auf die Lider und brachte sie zum Kichern.
Küssen war leichter als einzuschlafen. Dany schloss die Augen und versuchte an zu Hause zu denken, an Dragonstone und King’s Landing und all die anderen Orte, von denen Viserys ihr erzählt hatte, an ein herzlicheres Land als dieses … Aber ihre Gedanken kehrten stets zur Sklavenbucht zurück, wie Schiffe, die von einem bitteren Wind erfasst werden. Als Missandei fest eingeschlafen war, löste sich Dany aus ihren Armen und trat hinaus in die Kälte vor dem Sonnenaufgang, lehnte sich auf die kühle Ziegelbrüstung und schaute hinunter auf die Stadt. Tausend Dächer breiteten sich unter ihr aus, die der Mond in Elfenbein- und Silbertöne tauchte.
Irgendwo unter diesen Dächern hatten sich die Söhne der Harpyie versammelt und schmiedeten Pläne, um sie zu ermorden und all jene, die sie liebten. Pläne, wie sie Danys Kinder wieder in Ketten legen könnten. Irgendwo dort unten schrie ein hungriges Kind nach Milch. Irgendwo lag eine alte Frau im Sterben. Irgendwo umarmten sich ein Mann und eine Frau und zerrten ungeduldig an den Kleidern des anderen. Aber hier oben gab es nur den
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