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09-Die Pfade des Schicksals

09-Die Pfade des Schicksals

Titel: 09-Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Stablampe den Gang entlang zu dem letzten Raum. Wohin hätte sie sonst gehen sollen? Roger hatte Jeremiah.
    Das Gewicht ihrer Arzttasche in ihrer linken Hand stabilisierte sie. Es war ihr Anker gegen das Tosen des Sturms und Rogers Wahnsinn. Ihre einzige Waffe. Von der krampfhaft umklammerten Stablampe schmerzte die kleine Wunde in ihrer Handfläche, aber der Lichtstrahl war zu schwach, um sie beschützen zu können. Ihre Lederjacke hatte sie zu Hause gelassen. Sie hatte bewusst eine frisch gewaschene rote Flanellbluse, saubere Jeans und feste Stiefel angezogen. Sie war hierher, zur Häven Farm gefahren, obwohl sie wusste, was sie dort finden würde.
    Die Tür des letzten Raums stand offen. Linden roch Ozon und Blut. Das Haus zitterte. Roger hatte hier gemordet. Er hatte eine seiner Geiseln umgebracht.
    Linden fühlte sich beben wie Covenants verlassenes Haus. Eine merkwürdige Desorientierung setzte ihr zu. Aus irgendeinem Grund erwartete sie, verkrusteten Schmutz auf ihrer Bluse zu sehen. Flecken, Schmutz, Risse: Konsequenzen. Sie erwartete, ein präzise ausgestanztes Loch über ihrem Herzen zu sehen. Aber der Flanell war noch sauber. Die Bluse war praktisch neu. Ihre Jeans trugen keine Spur von Rogers Gemetzel.
    Ganz in der Nähe schlug ein Blitz ein, dann folgte sofort ein krachender Donnerschlag. Roger hatte Jeremiah entführt. Jeremiah hatte einen Holzsplitter wie einen Nagel durch ihre Hand getrieben. Der letzte Raum lag in Trümmern, war verwüstet und giftig. Das schwache Licht ihrer Stablampe zeigte ihr Sara Clint, die verblutet auf dem Einzelbett lag. Sie hatte Dutzende von Schnittwunden, viele Dutzend Wunden. Roger hatte ihre Hand- und Fußgelenke mit Gewebeband an das Bettgestell gefesselt. Dann hatte er wieder und wieder durch den weißen Stoff ihres Kittels geschnitten und venöses Blut vergossen. Als Vorbereitung auf ein Ritual.
    Statische Elektrizität ließ Lindens Haar von ihrem Kopf abstehen, erzeugte einen Nimbus aus Verzweiflung. Jeremiah! Roger hatte Sara mit diesem Messer abgeschlachtet: einem großen Tranchiermesser, das jetzt neben ihrem Kopf im Kissen steckte. Als er genug gehabt hatte, hatte er das Messer in ihr Herz gestoßen, bevor er es in dem Kissen zurückgelassen hatte: eine für Linden bestimmte Präsentation, die seine Ernsthaftigkeit demonstrieren sollte.
    Jetzt war er fort. Er hatte Jeremiah und Joan und Sandy Eastwall mitgenommen. Zu dem Ort, an dem er Jeremiah opfern wollte. Und Sandy vermutlich auch. Unter Umständen brauchte er ihr Blut, um sich den Weg zu öffnen. Vielleicht würde er dazu sogar das Blut seiner eigenen Mutter brauchen.
    Linden hätte eine gewisse Zeit an Saras Leiche trauern sollen. Das hätte sie unbedingt tun müssen. Niemand konnte behaupten, Sara Clint habe nicht wenigstens dieses Mindestmaß an Anerkennung verdient. Sie war eine gute Frau gewesen, und sie war ermordet worden.
    Aber Linden hatte keine Zeit. Sie wusste, wohin Roger unterwegs war; wohin er mit seinen Geiseln wollte. Sie wusste auch, weshalb. Sie musste ihn einholen, bevor er …
    Jeremiah!
    Es gab etwas, an das sie sich unbedingt erinnern musste.
    … bevor er die Felsplatte im Wald erreichte, auf der Thomas Covenant ermordet worden war. Der Ort, an dem Jeremiah in Lord Fouls Feuer mehr als eine halbe Hand verloren hatte.
    Nein, es gab nichts, woran sie sich erinnern musste.
    Doch, es gab etwas.
    Ein Gesicht.
    Wessen Gesicht war das? Jeremiahs? Nein. Sein Gesicht hätte sie nie vergessen können? Für sie war es so wichtig wie die Nervenbahnen ihres Gehirns. Deshalb war sie hier.
    Dann vielleicht Liands? Aneles? Staves?
    Wer zum Teufel waren Liand und Anele und Stave?
    Und warum wollte sie an Riesen denken? Sie hatte sie seit zehn Jahren nicht mehr gesehen und durfte sich nicht durch Erinnerungen an alte Freundschaften ablenken lassen. Nicht jetzt.
    Trotz ihrer Eile versuchte sie, Sara kurz die letzte Ehre zu erweisen. Einige Herzschläge lang um sie zu trauern. Inzwischen roch sie kein Blut mehr. Auch kein Ozon. Eigentlich waren diese Gerüche schwer genug, um sich festzusetzen. Aber die stürmischen Winde hatten sie durch eingeschlagene Fenster und Löcher in den Wänden hinausgezogen.
    Stattdessen roch sie Rauch, der so ölig dick war, dass er von einem Feuer hätte stammen können, das der Verächter gelegt hatte. Im Lichtstrahl ihrer Stablampe sah sie Andeutungen davon. Der Rauch erzeugte Beklemmungen. Linden rang nach Atem, schien plötzlich nicht mehr genug Luft zu bekommen.
    Sie

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