12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
Freundschaft nicht durch das Salz. Es gibt einen Stoff, der nie im Körper vergeht. Weißt du, Scheik Malek, was ich meine?“
„Ich weiß es.“
„So sage es.“
„Das Blut.“
„Du hast recht gesagt. Das Blut bleibt bis zum Tod, und die Freundschaft, die durch das Blut geschlossen wird, hört erst auf, wenn man stirbt. Scheik Malek, gib mir deinen Arm!“
Malek merkte ebenso gut wie ich, um was es sich handelte. Er entblößte seinen Unterarm und hielt ihn Mohammed Emin dar; dieser ritzte ihn leicht mit der Spitze seines Messers und ließ die hervorquellen Tropfen in einen kleinen, mit Wasser gefüllten, hölzernen Becher fallen, welchen er darunter hielt. Dann winkte er mich herbei.
„Emir Hadschi Kara Ben Nemsi, willst du mein Freund sein und der Freund dieses Mannes, der sich Scheik Malek el Ateïbeh nennt?“
„Ich will es.“
„Willst du es sein bis zum Tod?“
„Ich will es.“
„So sind deine Freunde und Feinde auch unsere Freunde und Feinde, und unsere Freunde und Feinde sind auch deine Freunde und Feinde?“
„Sie sind es.“
„So gib mir deinen Arm!“
Ich tat es; er schnitt leicht durch die Haut und ließ die wenigen Blutstropfen, welche hervorquollen, in den Becher fallen. Dann tat er dasselbe an seinem Arm und schwenkte zuletzt den Becher, um das Blut gut mit dem Wasser zu vermischen.
„Jetzt teilt den Trank der Freundschaft in drei Teile und genießt ihn mit dem Gedanken an den Allwissenden, der unsere geheimsten Gedanken kennt. Wir haben sechs Füße, sechs Arme, sechs Augen, sechs Ohren, sechs Lippen, und dennoch sei es nur ein Fuß, ein Arm, ein Auge, ein Ohr und eine Lippe. Wir haben drei Herzen und drei Köpfe, aber dennoch sei es nur ein Herz und ein Kopf. Wo der eine ist, da wandeln die andern, und was der eine tut, das tue der andere so, als ob seine Gefährten es täten. Preis sei Gott, der uns diesen Tag gegeben hat!“
Er reichte mir den Becher dar.
„Hadschi Emir Kara Ben Nemsi, dein Volk wohnt am weitesten von hier; trink deinen Teil zuerst und reiche dann den Becher unserem Freund.“
Ich hielt eine kurze Anrede und tat einen Schluck; Malek folgte mir, und Mohammed Emin trank den Rest aus. Dann umarmte und küßte er uns, während er jedem sagte:
„Jetzt bis du mein Rafik (Freund, Blutsbruder. Ein solcher gilt mehr als alle Aschab, das ist Gefährten), und ich bin dein Rafik; unsere Freundschaft sei ewig, wenn auch Allah unsere Wege scheiden mag!“
Die Kunde von diesem Bund verbreitete sich schnell durch das ganze Lager, und wer auch nur das kleinste Vorrecht oder die geringste Vergünstigung zu besitzen glaubte, der kam in das Zelt, um uns zu beglückwünschen. Dies nahm eine nicht geringe Zeit in Anspruch, so daß wir erst später wieder nur zu dreien beieinander saßen.
Wir mußten Scheik Malek eine Beschreibung des Terrains liefern, auf welchem der Kampf voraussichtlich stattfinden werde, und ihn mit unserem Verteidigungsplan bekannt machen. Er billigte denselben vollständig und fragte zuletzt:
„Können die Feinde nicht nach Norden entweichen?“
„Sie könnten zwischen dem Fluß und dem Dschebel Kanuza, das ist also längs des Wadi Dschehennem, durchbrechen; aber wir werden ihnen auch diesen Weg verlegen. Scheik Mohammed, hast du angeordnet, daß Werkzeuge vorhanden sind, um eine Brustwehr zu errichten?“
„Es ist geschehen.“
„Sind die Frauen ausgewählt, welche uns begleiten sollen, um die Verwundeten zu verbinden?“
„Sie sind bereit.“
„So laß Pferde aussuchen für unsern Gefährten und seine Männer. Wir müssen aufbrechen, denn der Tag wird bald erscheinen.“
ZEHNTES KAPITEL
Der Sieg
Eine halbe Stunde später setzten sich die Haddedihn in Bewegung, nicht etwa in einer ordnungslosen, aufgelösten Wolke, wie es gewöhnlich bei den Arabern der Fall zu sein pflegt, sondern in festen, parallel miteinander reitenden Körpern. Ein jeder wußte, wohin er gehörte.
Vor uns ritten die Krieger, hinter uns auf Kamelen und unter der Anführung einiger noch ziemlich rüstiger Greise die Frauen, welche das Sanitätscorps zu bilden hatten, und zuletzt kamen diejenigen, welche zur Verbindung mit dem Weideplatz und zur Beaufsichtigung der Gefangenen dienen sollten.
Als die Sonnenscheibe sich über dem Horizont zeigte, stiegen alle ab und warfen sich zur Erde, um das Morgengebet zu verrichten. Es war ein erhebender Anblick, diese Hunderte im Staub vor jenem Herrn liegen zu sehen, der heute noch einen jeden von uns zu sich rufen
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