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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ansah, daß sie hier in der Höhle des Löwen sich nicht sehr wohl fühlten. Ich wurde sofort angemeldet, zog meine Sandalen aus, welche ich zu diesem Zweck angelegt hatte, und trat ein:
    „Sallam aaleïkum!“ grüßte ich, indem ich die Arme über die Brust verschränkte und mich verbeugte.
    „Sal –“
    Der Pascha unterbrach sich aber sofort und fragte dann:
    „Dein Bote hat gesagt, daß ein Nemtsche mit mir reden wolle?“
    „So ist es.“
    „Sind die Nemsi Moslemim?“
    „Nein. Sie sind Christen.“
    „Und dennoch wagst du den Gruß der Moslemim!“
    „Du bist ein Moslem, ein Liebling Allahs und ein Liebling des Padischa – Gott beschirme ihn! – Soll ich dich mit dem Gruß der Heiden begrüßen, die keinen Gott und kein heiliges Buch haben?“
    „Du bist kühn, Fremdling!“
    Es war ein eigentümlicher, lauernder Blick, den er mir zuwarf. Der Pascha war nicht groß und von sehr hagerer Gestalt, und sein Gesicht wäre ein sehr gewöhnliches gewesen, wenn der Zug von Schlauheit und Grausamkeit gefehlt hätte, der sofort auffallen mußte. Dabei war ihm die rechte Wange stark geschwollen, und neben ihm stand ein silbernes, mit Wasser gefülltes Becken, das ihm als Spucknapf diente. Seine Kleidung bestand ganz aus Seide. Der Griff seines Dolches und die Agraffe an seinem Turban funkelten von Diamanten; seine Finger glänzten von Ringen, und die Wasserpfeife, aus welcher er rauchte, war eine der kostbarsten, die ich je gesehen hatte.
    Nachdem er mich eine Weile vom Kopf bis zum Fuß gemustert hatte, fragte er weiter:
    „Warum hast du dich nicht durch einen Konsul vorstellen lassen?“
    „Die Nemsi haben keinen Konsul in Mossul, und die anderen Konsulen sind mir ebenso fremd wie du selbst. Ein Konsul kann mich nicht besser und schlechter machen, als ich bin, und du hast ein scharfes Auge; du brauchst mich nicht durch das Auge eines Konsuls kennenzulernen.“
    „Maschallah! Du sprichst wirklich sehr kühn! Du sprichst, als ob du ein sehr großer Mann seist!“
    „Würde ein anderer Mann es wagen, dich zu besuchen?“
    Dies war nun allerdings sehr unverfroren gesprochen, aber ich sah auch gleich, daß es den erwarteten Eindruck machte.
    „Wie heißt du?“
    „Hasredin (Hoheit), ich habe verschiedene Namen.“
    „Verschiedene? Ich denke, daß der Mensch nur einen Namen hat!“
    „Gewöhnlich. Bei mir aber ist es anders, denn in jedem Land und bei jedem Volk, welches ich besuche, hat man mich anders genannt.“
    „So hast du viele Länder und viele Völker gesehen?“
    „Ja.“
    „Nenne die Völker!“
    „Die Osmanly, Fransesler, Engleterrler, Espanjoler – –“
    Ich konnte ihm eine hübsche Reihe von Namen nennen und setzte natürlich aus Höflichkeit die Osmanly voran. Seine Augen wurden bei jedem Wort größer. Endlich aber platzte er heraus:
    „Hei-hei! (Ausruf der Verwunderung) Gibt es so viele Völker auf der Erde?“
    „Noch viel, viel mehr!“
    „Allah akbar, Gott ist groß! Er hat so viele Nationen geschaffen, wie Ameisen in einem Haufen sind. Du bist noch jung. Wie kannst du so viele Länder besucht haben? Wie alt warst du, als du aus dem Land der Nemsi gingst?“
    „Ich zählte achtzehn Jahre, als ich über die See nach Jeni-dünja (Amerika) kam.“
    „Und was bist du?“
    „Ich schreibe Zeitungen und Bücher, welche dann gedruckt werden.“
    „Was schreibst du da?“
    „Ich schreibe meist das, was ich sehe und höre, was ich erlebe.“
    „Kommen in diesen Chaberler (Zeitungen) auch die Männer vor, mit denen du zusammentriffst?“
    „Nur die vorzüglichsten.“
    „Auch ich?“
    „Auch du.“
    „Was würdest du über mich schreiben?“
    „Wie soll ich das jetzt schon wissen, o Pascha? Ich kann die Leute doch nur so beschreiben, wie sie sich gegen mich verhalten.“
    „Und wer liest das?“
    „Viele Tausende von hohen und niedrigen Männern!“
    „Auch Paschas und Fürsten?“
    „Auch sie.“
    In diesem Augenblick ertönte von dem Hof herauf der Schall von Schlägen, begleitet vom Wimmern eines Gezüchtigten. Ich horchte ganz unwillkürlich auf.
    „Höre nicht darauf“, mahnte der Pascha. „Es ist mein Hekim.“
    „Dein Arzt?“ fragte ich verwundert.
    „Ja. Hast du einmal Disch aghrisi (Zahnschmerzen) gehabt?“
    „Als Kind.“
    „So weißt du, wie es tut. Ich habe einen kranken Zahn. Dieser Hund sollte ihn mir herausnehmen; aber er machte es so ungeschickt, daß es mir zu weh tat. Nun wird er dafür ausgepeitscht. Jetzt kann ich den Mund nicht

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