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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Miene drückte die höchste Wonne aus, und als die zweite Flasche leer war, meinte er:
    „Freund, dir kommt keiner gleich, weder ein Gläubiger noch ein Ungläubiger. Vier Khawassen sind für dich zu wenig; du sollst sechs haben!“
    „Deine Güte ist groß, o Pascha; ich werde sie zu rühmen wissen!“
    „Wirst du auch erzählen von dem, was ich jetzt getrunken habe?“
    „Nein, darüber werde ich schweigen; denn ich werde auch das nicht sagen, was ich getrunken habe.“
    „Maschallah, du hast recht! Ich trinke, ohne an dich zu denken. Reiche mir dein Glas, ich werde diese Flasche noch öffnen.“
    Jetzt bekam ich mein Kunstprodukt zu kosten. Es schmeckte genau so, wie ungekühltes Sodawasser mit Rosinenbrühe und Zucker schmecken muß; für den anspruchslosen Gaumen des Pascha mußte es ein Genuß sein.
    „Weiß du“, sagte er und tat wieder einen langen Zug, „daß sechs Khawassen für dich noch immer zu wenig sind? Du sollst zehn bekommen!“
    „Ich danke dir, o Pascha!“
    Wenn das Trinken so fortging, so war ich gezwungen, meine Reise mit einem ganzen Heer von Khawassen anzutreten, und das konnte mir unter Umständen außerordentlich hinderlich sein.
    „Also du gehst durch das Land der Teufelsanbeter“, berührte er das alte Thema. „Kennst du ihre Sprache?“
    „Es ist die kurdische?“
    „Ein kurdischer Dialekt. Es sprechen nur wenige von ihnen arabisch.“
    „Ich kenne ihn nicht.“
    „So werde ich dir einen Dolmetscher mitgeben.“
    „Vielleicht ist dies unnötig. Das Kurdische ist dem Persischen verwandt, und dieses verstehe ich.“
    „Ich verstehe beides nicht, und du mußt am besten wissen, ob du einen Dragoman brauchst. Aber halte dich in ihrem Land ja nicht lange auf. Ruhe dich bei ihnen nicht aus, sondern reite durch ihr Gebiet schnell hindurch.“
    „Warum?“
    „Es könnte dir sonst etwas schlimmes passieren.“
    „Was?“
    „Das ist mein Geheimnis. Ich sage dir nur, daß dir grad die Schutzwache, welche ich dir mitgebe, gefährlich werden könnte. Trink!“
    Dies war bereits das zweite Geheimnis, welches er berührte.
    „Deine Leute können mich nur bis Amadijah begleiten?“ fragte ich ihn.
    „Ja, denn meine Macht reicht nicht weiter.“
    „Welches Gebiet kommt dann?“
    „Das Gebiet der Kurden von Berwari.“
    „Wie heißt die Hauptstadt derselben?“
    „Die Residenz ist das feste Schloß Gumri, auf dem ihr Bey wohnt. Ich werde dir einen Brief an ihn mitgeben; aber ob das Schreiben eine gute Wirkung hat, das kann ich dir nicht versprechen. Wie viele Begleiter hast du?“
    „Einen Diener.“
    „Nur einen? Hast du gute Pferde?“
    „Ja.“
    „Das ist gut für dich, denn vom Pferd hängt sehr oft die Freiheit und das Leben des Reiters ab. Und es wäre sehr schade, wenn dir ein Unglück geschähe; denn du warst der Besitzer eines sehr schönen Geheimnisses und hast es mir offenbart. Aber ich will dir auch dankbar sein. Weißt du, was ich für dich tun werde?“
    „Was?“
    Er trank die Flasche aus und antwortete mit seiner wohlwollendsten Miene:
    „Weißt du, was der Disch-parassi ist?“
    „Ich weiß es.“
    „Nun?“
    „Es ist eine Steuer, welche nur du allein zu fordern hast.“
    Ich drückte mich hierbei sehr gelinde aus, denn der Disch-parassi, die ‚Zahnvergütung‘, ist eine Abgabe an Geld, welche überall erhoben wird, wo der Pascha auf seinen Reisen anhält, und zwar dafür, daß er sich seine Zähne beim Kauen derjenigen Lebensmittel abnutzt, die ihm die betreffenden Einwohner unentgeltlich liefern müssen.
    „Du hast es erraten“, meinte er. „Ich werde dir eine Schrift mitgeben, in welcher ich befehle, dir überall, wohin du kommst, den Disch-parassi auszuzahlen, grad als ob ich es sei. Wann willst du abreisen?“
    „Morgen früh.“
    „Warte, ich werde mein Siegel holen, um das Schreiben sogleich ausfertigen zu lassen!“
    Er stand auf und verließ das Zimmer. Da der Schwarze ihm die Pfeife nachtragen mußte, so blieb ich allein zurück. Neben dem Pascha hatten einige Papiere gelegen, mit denen er sich vor meinem Erscheinen beschäftigt haben mochte. Schnell griff ich zu und öffnete eines. Es war ein Plan des Tales von Scheik Adi. Ah! Sollte dieser Plan vielleicht mit seinen Geheimnissen in Verbindung stehen? Ich konnte diesen Gedanken nicht weiter verfolgen, denn der Gouverneur trat wieder ein. Auf seinen Befehl erschien der Geheimschreiber, welchem er drei Schreiben diktierte: eines an den kurdischen Bey, eines an den Kommandanten der

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