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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wieder los; sie bleibt eine Jungfrau, und er wird für seine Mühe bezahlt.“
    „Auch dies weiß ich.“
    Die Einleitung des alten Scheik machte mich neugierig. Welche Absichten leiteten ihn, die Pilgerfahrt Halefs mit dem Amt eines Delyl in Verbindung zu bringen? Ich sollte es sofort erfahren, denn ohne jeden Übergang bat er:
    „Erlaube deinem Diener, für die Zeit seiner Hadsch ein Delyl zu sein!“
    Das war überraschend.
    „Wozu?“ fragte ich ihn.
    „Das werde ich dir sagen, nachdem du die Erlaubnis ausgesprochen hast.“
    „Ich weiß nicht, ob er darf. Die Delyls sind Beamte, welche jedenfalls von der Behörde eingesetzt werden.“
    „Wer will ihm verbieten, eine Jungfrau zu heiraten und sie nach der Pilgerfahrt wieder frei zu geben?“
    „Das ist richtig. Was mich betrifft, so gebe ich meine Erlaubnis gern, wenn du denkst, daß sie erforderlich ist. Er ist ein freier Mann; du mußt dich an ihn selbst wenden.“
    Es war ein förmlicher Genuß, das Gesicht meines guten Halef zu beobachten. Er war ganz verdutzt.
    „Willst du es tun?“ fragte ihn der Alte.
    „Darf ich das Mädchen vorher sehen?“
    Der Scheik lächelte ein wenig und antwortete dann:
    „Warum willst du sie vorher sehen? Ob sie alt ist oder jung, ob schön oder häßlich, das ist ganz gleichgültig; denn du wirst sie nach der Hadsch doch wieder freigeben.“
    „Sind die Benaht el Arab (Töchter der Araber) wie die Töchter der Türken, welche sich nicht sehen lassen dürfen?“
    „Die Töchter der Araber brauchen ihr Gesicht nicht zu verbergen. Du sollst das Mädchen sehen.“
    Auf seinen Wink erhob sich einer der Anwesenden vom Boden und verließ das Zelt. Nach kurzer Zeit trat er mit einem Mädchen ein, dessen Ähnlichkeit mit der Amazone mich erraten ließ, daß diese die Mutter desselben sei.
    „Das ist sie; blicke sie an!“ sagte Scheik.
    Halef machte von dieser Erlaubnis einen sehr ausgiebigen Gebrauch. Die vielleicht fünfzehnjährige, aber bereits vollständig erwachsene dunkeläugige Schöne schien ihm zu gefallen.
    „Wie heißt du?“ fragte er sie.
    „Hanneh (Anna)“, antwortete sie.
    „Dein Auge glänzt wie Nur el Kamar (Licht des Mondes); deine Wangen leuchten wie Zahari (Blumen); deine Lippen glühen wie Römmahm (Granatäpfel), und deine Wimpern sind schattig wie die Blätter von el Szemt (Akazie). Mein Name lautet Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah, und wenn ich kann, so werde ich deinen Wunsch erfüllen.“
    Die Augen meines Halef leuchteten auf, aber nicht bloß wie Nur el Kamar, sondern wie Nur esch Schemms (Sonnenlicht); seine Sprache trieb poetische Blüten; vielleicht stand er am Rande desselben Abgrundes, welcher die Hadschi-Hoffnungen seines Vaters und Großvaters, weiland Abul Abbas und Dawud al Gossarah, verschlungen hatte: der Abgrund der Liebe und der Ehe.
    Das Mädchen entfernte sich wieder und der Scheik fragte ihn:
    „Wie lautet dein Entschluß?“
    „Frage meinen Herrn. Wenn er nicht abrät, werde ich deinen Wunsch erfüllen.“
    „Dein Herr hat bereits gesagt, daß er dir die Erlaubnis gibt.“
    „So ist es!“ stimmte ich bei. „Aber sage uns nun auch, warum dieses Mädchen nach Mekka soll und warum sie sich nicht in Dschidda einen Delyl sucht?“
    „Kennst du Achmed-Izzet-Pascha?“
    „Den Gouverneur von Mekka?“
    „Ja, du mußt ihn kennen, denn jeder Fremdling, der Dschidda betritt, stellt sich ihm vor, um seinen Schutz zu erhalten.“
    „Er wohnt also in Dschidda? Ich bin nicht bei ihm gewesen; ich brauche nicht den Schutz eines Türken.“
    „Du bist zwar ein Christ, aber du bist ein Mann. Der Schutz des Pascha ist nur gegen hohen Preis zu erhalten. Ja, er wohnt nicht in Mekka, wohin er eigentlich gehört, sondern in Dschidda, weil dort der Hafen ist. Sein Gehalt beträgt über eine Million Piaster, aber er weiß sein Einkommen bis auf das Fünffache zu bringen. Ihm muß jeder zahlen, sogar der Schmuggler und der Seeräuber, und darum eben wohnt er in Dschidda. Man sagte mir, daß du Abu-Seïf gesehen hast?“
    „Ich habe ihn gesehen.“
    „Nun, dieser Räuber ist ein guter Bekannter des Pascha.“
    „Nicht möglich!“
    „Warum nicht? Was ist vorteilhafter: einen Dieb zu töten, oder ihn leben zu lassen, um eine Rente von ihm zu beziehen? Abu-Seïf ist ein Dscheheïne; ich bin ein Ateïbeh. Diese beiden Stämme leben in Todfeindschaft; dennoch wagte er es, sich an unser Duar (Zeltdorf) zu schleichen und mir meine Tochter zu rauben. Er zwang sie,

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