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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sein Weib zu sein; aber sie entkam ihm einst und brachte mir ihre Tochter mit zurück. Du hast beide gesehen: mit meiner Tochter bist du angekommen, und die ihrige war soeben hier im Zelte. Seit jener Zeit suche ich ihn, um mit ihm abzurechnen. Einmal habe ich ihn gefunden; das war im Seraj (Palast) des Statthalters. Dieser schützte den Räuber und ließ ihn entkommen, während ich vor dem Tor auf ihn lauerte. Später einmal sandte mich der Scheik meines Stammes mit diesen Männern hier nach Mekka, um eine Opfergabe nach der Kaaba zu bringen. Wir lagerten nicht weit von der Pforte er Ramah; da sah ich Abu-Seïf mit einigen seiner Leute kommen; er wollte das Heiligtum besuchen. Der Zorn übermannte mich; ich ergriff ihn, trotzdem bei der Kaaba jeder Streit verboten ist. Ich wollte ihn nicht töten, sondern ihn nur zwingen, mir zu folgen, um draußen vor der Stadt mit ihm zu kämpfen. Er wehrte sich, und seine Männer halfen ihm. Es entspann sich ein Kampf, der damit endete, daß die Eunuchen herbeieilten und uns gefangen nahmen, ihm aber und den Seinigen die Freiheit ließen. Zur Strafe wurden uns die heiligen Orte verboten. Unser ganzer Stamm wurde verflucht und mußte uns ausstoßen, um des Fluches wieder ledig zu werden. Nun sind wir geächtet. Aber wir werden uns rächen und diese Gegend verlassen. Du bist ein Gefangener von Abu-Seïf gewesen?“
    „Ja.“
    „Erzähle es!“
    Ich gab ihm einen kurzen Bericht über das Abenteuer.
    „Weißt du den Ort genau, an welchem sein Schiff verborgen liegt?“
    „Ich würde ihn selbst bei Nacht wiederfinden.“
    „Willst du uns hinführen?“
    „Ihr werdet die Dscheheïne töten?“
    „Ja.“
    „So verbietet mir mein Glaube, euer Führer zu sein.“
    „Du darfst dich nicht rächen?“
    „Nein, denn unsere Religion gebietet uns, selbst unsere Feinde zu lieben. Nur die Behörde hat das Recht, den Bösen zu bestrafen, und ihr seid keine Richter.“
    „Deine Religion ist lieblich; wir aber sind keine Christen und werden den Feind bestrafen, weil er beim Richter Schutz finden würde. Du hast mir den Ort beschrieben, und ich werde das Schiff auch ohne deine Hilfe entdecken. Nur versprich mir, daß du die Dscheheïne nicht warnen willst.“
    „Ich werde sie nicht warnen, denn ich habe keine Lust, ihr Gefangener noch einmal zu sein.“
    „So sind wir einig. Wann wird Halef nach Mekka gehen?“
    „Morgen, wenn du es mir erlaubst, Sihdi“, antwortete der Diener an meiner Stelle.
    „Du kannst morgen gehen.“
    „So laß ihn gleich bei uns bleiben“, bat der Scheik. „Wir werden ihn so weit an die Stadt begleiten, als wir ihr nahen dürfen, und ihn dir dann zurückbringen.“
    Da kam mir ein Gedanke, dem ich sofort Ausdruck gab:
    „Darf ich mit euch ziehen und bei euch auf ihn warten?“
    Ich bemerkte sofort, daß dieser Wunsch allgemeine Freude erregte.
    „Effendi, ich sehe, daß du die Ausgestoßenen nicht verachtest“, antwortete der Scheik. „Du sollst uns willkommen sein! Du bleibt gleich hier bei uns und hilfst uns am Abend die Ewlenma (Verheiratung) schließen.“
    „Das geht nicht. Ich muß zuvor nach Dschidda zurück, um meine Geschäfte abzuschließen. Mein Wirt muß wissen, wo ich mich befinde.“
    „So werde ich dich bis vor die Tore der Stadt begleiten. Auch sie darf ich nicht betreten, denn sie ist eine heilige Stadt. Wann willst du reiten?“
    „Sogleich, wenn es dir beliebt. Ich brauche nur wenig Zeit, um wieder mit dir zurückzukehren. Soll ich dir einen Kadi oder Mullah mitbringen für den Abschluß der Verheiratung?“
    „Wir brauchen weder einen Kadi noch einen Mullah. Ich bin der Scheik meines Lagers, und was vor mir geschieht, hat Kraft und Gültigkeit. Aber ein Pergament oder ein Papier magst du mir bringen, auf welches wir den Vertrag niederschreiben. Das Mohür und Gemedsch (Petschaft und Wachs) habe ich.“
    In kurzer Zeit standen die Kamele bereit; wir stiegen auf. Die kleine Truppe bestand außer uns dreien aus dem Scheik, seiner Tochter und fünf Ateïbeh. Ich folgte dem Alten ohne Einrede, obgleich ich bemerkte, daß er nicht den geraden Weg einschlug, sondern sich mehr rechts nach dem Meer zu hielt. Albani hatte jetzt nicht mehr so viel Not wie vorher, sich auf seinem Kamele zu halten, und die langen Beine der Tiere warfen den Weg förmlich hinter sich.
    Da hielt der Scheik an und deutete mit der Hand seitwärts.
    „Weißt du, was da drüben liegt, Effendi?“
    „Was?“
    „Die Bucht, in welcher das Schiff des Räubers liegt.

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