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1357 - Nach dem Holocaust

Titel: 1357 - Nach dem Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Ju-Meis Leben tatsächlich in Gefahr war. Er war ein großer, kräftiger Kartanin, und die Wunde, die Shu-Dan ihr gezeigt hatte, wirkte so winzig, daß sie völlig ungefährlich zu sein schien.
    Wie konnte Ju-Mei-H'ay sich erdreisten, an einem so harmlosen Insektenbiß zu sterben?
    Es war ungerecht.
    Alles war ungerecht.
    Lia-Gan-L'agyr war Sue-El gefolgt und brüllte ihr plötzlich von hinten in die Ohren. Sue-El-K'yon fuhr mit gezückten Krallen herum und versetzte Lia-Gan einen Schlag ins Gesicht. Die kranke Kartanin plumpste rückwärts zu Boden und blieb jammernd sitzen. Aus drei Kratzern auf ihrer rechten Wange sickerte Blut.
    Sue-El-K'yon holte tief Luft. Sekundenlang rang sie um ihre Beherrschung, zitternd, mit ausgefahrenen Krallen und weit gespreizten Fingern. „Was ist passiert?"
    Sie fuhr herum und sah Shu-Dan, der gerade hereinkam, die Waffe in der einen und ein lächerlich kleines, dürres Tier in der anderen Hand. „Ist das alles?" fragte Sue-El scharf. „Hast du keine andere Beute gefunden? „ „Nein", erwiderte Shu-Dan ruhig. „Der Wald ist wie leergefegt. Etwas hat die Tiere vertrieben."
    Sie wußten beide, wer das Wild verjagt hatte. Zum einen waren die Tiere ohnehin scheuer geworden, seit die Kartanin in diesem Wald jagten. Zum anderen liefen immer noch ein paar Verrückte dort draußen herum. Aber das war ein Thema, über das sie mit Stillschweigen hinweggingen.
    Shu-Dan-H'ay übergab Sue-El das tote Tier, und sie griff automatisch zu. Dann ging der Kartanin um sie herum und blickte in die Kammer.
    Sue-El zog sich vorsichtshalber ein paar Schritte zurück, denn Wut und Trauer lagen bei den Kartanin eng beieinander, und so war sie auf eine heftige Reaktion gefaßt. Aber Shu-Dan verhielt sich sehr ruhig. Er gab keinen Laut von sich, starrte lange Zeit nur vor sich hin und wandte sich dann plötzlich ab.
    Sie folgte ihm vorsichtig und leise. Sie wollte ihn nicht in seiner Trauer stören, falls er welche empfand, denn selbst einem männlichen Kartanin gebührten in solchen Augenblicken Achtung und Rücksichtnahme.
    Shu-Dan-H'ay allerdings machte sich ohne jeden Verzug daran, ein Grab für Ju-Mei zu schaufeln.
    Sue-El sagte sich, daß es ihr nicht zustand, über Shu-Dans Verhalten zu urteilen, und im Grunde genommen war es ihr ziemlich egal, wie der Kartanin mit dem Tod seines Verwandten fertig wurde. Sie zog sich zurück und untersuchte die Beute, die Shu-Dan ihr gebracht hatte'.
    Das Tier war noch dürrer, als sie auf den ersten Blick angenommen hatte. Es trug ein dichtes Federkleid, das völlig ungenießbar war, und was sich unter diesen Federn befand, das schien nur aus Knochen, Sehnen und Eingeweiden zu bestehen. Von den paar Gramm Fleisch und Fett, die sich an diesem Tier finden ließen, wäre nicht einmal ein kleines Kartanin-Kind satt geworden.
    Sue-El hatte in ihrem ganzen Leben noch kein Tier ausgenommen, aber sie war davon überzeugt, daß Shu-Dan es auch nicht besser konnte. Sie wartete nicht auf seine Rückkehr, sondern zerhackte die Beute, so gut es ging, warf weg, was ihr als nicht eßbar erschien, versenkte den Rest in einem Topf mit Wasser und stellte das Ganze auf das ständig vor sich hin schwelende, stark rauchende Feuer, das seit Tagen auf einem von Shu-Dan provisorisch errichteten Herd gloste. Sie war fest davon überzeugt, daß Kochen nicht die Arbeit war, für die sie geschaffen war, aber sie sah ein, daß im Augenblick niemand da war, der sie bedienen konnte. Im übrigen glaubte sie unverrückbar daran, daß Shu-Dan beim Bau des Herdes einen schlimmen Fehler begangen hatte, denn das Ding gab mehr Rauch als Hitze von sich. Shu-Dan hatte zwar erklärt, daß dies mit der im Holz innewohnenden Feuchtigkeit zu tun hätte, aber das waren sicher auch nur Ausreden.
    Trotz des Rauches schlief Sue-El-K'yon neben dem Herd ein. Sie war es nicht gewohnt, den ganzen Tag auf den Beinen zu sein, und auch in den Nächten hatte sie kaum Ruhe gefunden. Die Wärme und der Geruch, der aus dem Topf drang, machten sie schläfrig, und im Traum begrüßte sie ihre Mutter San-Mion, die aus dem Tränennetz heruntergekommen war, um einen Tag mit ihrer Tochter zu verbringen. Es war ein angenehmer Traum, denn San-Mion ging mit Sue-El in eine der besten Garküchen der Stadt und bestellte dort Sue-Els Leibgericht.
    Dann wurde der Traum etwas weniger angenehm, denn das Essen war angebrannt, und plötzlich war auch der ganze Raum voller Rauch und Ruß.
    Sue-El erwachte.
    Der Rauch war noch dichter

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