1718 - Die Messerkatze
die Antwort nicht. Er wusste einfach nicht, was er sagen sollte, und schüttelte den Kopf.
Julie nahm die Augenmaske ab und nickte. »Du kannst es nicht begreifen, wie?«
»Ja, so ist es.«
»Dabei ist es ganz einfach. Man muss nur sein Denken etwas erweitern. Die Katzen und ich sind eine Verbindung eingegangen. Oder muss ich dir erklären, dass Katzen ganz besondere Geschöpfe sind?«
»Nein.«
»Sehr gut. Du liebst sie doch auch – oder?«
Sag nichts Falsches!, warnte ihn die innere Stimme. Er nickte nur, was Julie nicht genug war.
»Es sah nicht eben überzeugend aus.«
»Okay, Julie. Ich liebe die Tiere, sonst würde ich nicht hier arbeiten.«
»Und die Katzen?«
»Ja, aber …«
»Was ist das für ein Aber?«, zischte sie ihn an, wobei ihre Augen einen fremden und kalten Glanz annahmen, als wäre das Katzenhafte wieder in ihr hochgekommen.
»Ich – ich – mag sie.«
»Aha.«
Rick atmete durch. Er hoffte, den Ton und die Aussage einigermaßen getroffen zu haben, sodass sich die Unperson damit zufriedengab. Es stimmte, er mochte die Tiere. Hunde ebenso wie Katzen, und in diesem Tierheim taten sie ihm trotzdem leid. Aber er ging nicht so weit, dass er sie liebte. Das konnte niemand von ihm verlangen. Liebe brachte man nur einem Menschen entgegen und nicht einem Tier, auch wenn es Ausnahmen gab.
Es gefiel ihm nicht, dass Julie ihn so lauernd beobachtete. Dann sagte sie: »Ich weiß nicht, ob ich dir trauen kann.«
»Was meinst du damit?«
Sie lachte ihm ins Gesicht. »Das ist ganz einfach. Ich kann deine Angst fast körperlich spüren. Sie sitzt tief in dir. Dazu kenne ich dich gut genug. Du schlägst dich jetzt aus reinem Selbstschutz auf meine Seite. Du würdest mich aber verraten, wenn du die Chance dazu hättest …«
»Nein, das würde ich nicht. Das will ich auch nicht. Wir sind Kollegen und …«
»Sind wir das?«
Der Ton in ihrer Stimme gefiel ihm nicht. Er glaubte, darin ein scharfes Misstrauen mitklingen zu hören und ahnte, dass sie ihm seine Worte nicht abnehmen würde.
Das wurde ihm durch ihre nächsten Worte bestätigt.
»Es ist nicht mehr so, wie es gestern war. Ich sehe zwar so aus wie immer, bin aber tatsächlich in eine andere Rolle geschlüpft. Ich bin nach außen Mensch, nach innen Katze, und ich strebe dem entgegen, wonach sich schon die alten Ägypter gesehnt haben. Ich will göttlich werden. Ich will auf den Spuren der Katzengöttin wandeln, denn ihr Geist ist nicht vernichtet worden. Ich bin jetzt keine Suchende mehr, denn ich bin stark genug, um von ihr akzeptiert zu werden. Göttinnengleich, das ist kein Traum mehr. Und ich werde dafür sorgen, dass du an meiner Seite bleibst. Göttinnen haben ihre Diener, und ich habe dich zu dem meinen erkoren. Damit musst du dich abfinden.«
Rick Morelli hatte alles gehört. Die Angst war ihm genommen worden. Für ihn hatten sich völlig neue Perspektiven eröffnet, über die er eigentlich hätte nachdenken müssen, ob er sie nun akzeptierte oder nicht.
Dazu ließ sie ihn nicht kommen. Sie hatte sich entschlossen, und er befand sich in ihrer Hand und unter ihrer Kontrolle.
Julie streckte einen Arm aus und ließ die Hand auf Ricks Schulter fallen. Sofort versteifte er sich, was bei Julie Price ein Lachen auslöste.
»He, du hast noch immer Angst vor mir. Gib es zu.«
Er nickte.
»Schön, dass du ehrlich bist, aber du musst keine Furcht haben, mein Freund, nein, nein, das ist vorbei, denn du hast dich entschlossen, auf meiner Seite zu stehen. Das ist besser, denn da bist du der Sieger. Man hat mir gesagt, dass du Katzen magst, und das wirst du beweisen müssen.«
»Wie denn?«, stotterte er.
»Indem du bei mir bleibst. Ich habe dich zu meinem Diener erkoren, und dabei bleibe ich. Du bist mein Diener – klar?«
»Nein, bitte, das ist …«
»Unmöglich, willst du sagen?«
Er senkte den Kopf. »Schon gut. Ich – ich – werde tun, was du willst.«
»So habe ich es gewollt.«
Rick traute sich, eine Frage zu stellen. »Und wie geht es jetzt weiter?«
»Das ist mehr als simpel. Wir werden dieses Heim verlassen, und ich kann dir versichern, dass wir nicht allein sein werden.«
Rick Morelli schluckte und schüttelte den Kopf. »Wen hast du denn noch auf deiner Seite?«
Sie lachte. »Ich?«, rief sie dann. »Nein, wir. Wir haben unsere Begleiter. Es sind die Katzen. Ja, die Katzen hier. Sie werden in unserer Nähe bleiben wie die Ratten des Rattenfängers von Hameln. Auch wenn man sie nicht sieht, sie sind immer da,
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