1719 - Die Totenliste
schmerzlose Anwendung an sich vornehmen zu lassen.
Die Narbe, sagte sie immer, gehörte als Erinnerung an ihre Vergangenheit zu ihrem Leben. Dabei war sie erst 37 Jahre alt.
Jufo Ninzar, der ertrusische Funkchef, lachte dröhnend und antwortete für seinen Kommandanten: „Du hast es wohl nicht mit der terranischen Geschichte, Kleines. Sonst würdest du nicht so unschuldsvoll fragen. Die Meister der Insel waren ganz üble Burschen. Eigentlich nur noch sieben Leute, als unser Perry in Andromeda mit ihnen aufräumte, aber sie hielten sich für Götter. Ihr... ihre Chefin war übrigens eine Frau. Nach außen hin genauso unschuldsvoll wie du, Kleines, aber innendrin..."
Er machte eine Geste, und die übrigen Ertruser fielen in sein Lachen ein.
Dara Sheenbar wirkte unter ihnen wie eine Zwergin. Sie hatte sich daran gewöhnt, mit „Kleine" oder „Kleines" angeredet zu werden. Aber sie hatte inzwischen auch gelernt, sich gegen die Riesen von Ertrus zur Wehr zu setzen, wenn sie zu übermütig wurden.
„Du kannst mich das", sagte sie zu Ninzar und zeigte ihm ebenfalls eine Geste. „Von der Geschichte verstehe ich wirklich nicht viel, zu langweilig, verstehst du? Da ist mir die kulturelle Überlieferung unserer Ahnen schon lieber. Kennst du den Götz von Berlichingen?"
„Öh... nein", mußte der Ertruser zugeben.
Sie drehte sich im Halbkreis, den Rücken zur Hologalerie, und sah den Rest der Zentralebesatzung nacheinander an.
„Keiner hier?" fragte sie provozierend.
Alle schüttelten die Köpfe.
„War der Kerl ein Ertruser?" erkundigte sich Posor Agasor, der Chef der Ortung.
„Nein, aber er hätte gut zu Typen wie euch gepaßt. Ein Ausspruch von ihm wurde unsterblich, und zwar, was ich euch auch sagen möchte. L..."
„L... aßt uns lieber auf die Reaktion der Somer warten", unterbrach sie Abraham Linken, der terranische Xenobiologe und Chef der Medoabteilung der PARACELSUS. Er grinste Dara an und hob die Schultern. „Weißt du, diese Barbaren würden das sowieso nicht verstehen."
„Du hast mich überzeugt", sagte sie.
Die Ertruser blickten sich gegenseitig fragend an, bevor sich ihre ganze Aufmerksamkeit wieder dem Transmittertor zuwandte.
Das Gom-Tor wurde von drei im Dreieck angeordneten Hypertrops mit Hyperenergien gespeist. Sie waren jeweils zehntausend Kilometer voneinander und fünfzigtausend Kilometer vom Transmittertor entfernt.
Jeder Hypertrop war zweihundert Meter lang und besaß in etwa die Form eines Korkenziehers. Das Hypertrop-Prinzip zur Gewinnung von Hyperenergien hatten die Somer von den Galaktikern übernommen.
Doch das wirklich Faszinierende war immer wieder die Vorstellung, daß dieses Ringtor die letzte Station einer Transmitterstraße darstellte, die bis mitten in die ferne Mächtigkeitsballung Estartu hineinreichte - über eine Entfernung von rund vierzig Millionen Lichtjahren hinweg.
Natürlich mußte sich inzwischen der Vergleich mit den 225 Millionen Lichtjahren bis zur Großen Leere aufdrängen. Doch bis dahin brauchte die BASIS einige Jahre. Vom Gom-Tor bis nach Estartu benötigte man über die Transmittertore dagegen nur Tage, wobei der größte Teil dieser Zeit auf Formalitäten, Vorbereitung und Warten entfiel. Eine entsprechende Transmitterstraße zur Großen Leere hätte ein Raumschiff in einem Bruchteil der BASIS-Flugzeit dorthin gelangen lassen können - bei zügiger Abwicklung der Transporte von Tor zu Tor ebenfalls in Tagen oder ganz wenigen Wochen.
Die anderen Transmitterstationen nach Estartu, die sogenannten Heraldischen Tore, konnten bis auf das neunte, das Dashid-Tor, nur Objekte mit den Maximalmaßen fünfhundert mal zweihundert Meter befördern. Das Dashid-Tor besaß die gleiche Kapazität wie das Gom-Tor.
Jedes Transmittertor besaß einen Schaltmeister aus dem Volk der Nakken. Befehligt wurde es durch den Tormeister, einen Somer.
Der Tormeister des Gom-Tores hieß Uleboe und meldete sich, als die PARACELSUS und die ANSON ARGY-RIS nur noch knapp hunderttausend Kilometer von der Transmitterstation entfernt waren.
Es war nicht gerade das, was man einen freundlichen Empfang nennen konnte.
*
Uleboe hatte sich, nachdem ihm die Galaktiker vorgetragen hatten, weshalb sie gekommen waren, dazu herabgelassen, einer Abordnung von ihnen Einlaß ins Tor zu gewähren.
Die beiden Raumschiffe blieben in respektabler Entfernung vom Gom-Tor. An der Außenhülle der Transmitterstation waren drei somerische Diskusraumer verankert, einhundert,
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