18 - Eine Taube bringt den Tod
Regel: Jede Anschuldigung verlangt den Beweis.«
»Seit zwei Wochen überfallen Krieger unsere Höfe und Siedlungen. Sie kommen mit einem Schiff, an dessen Mast die Fahne des
mac’htiern weht – die Fahne des Gebietsherrn von Brilhag, der unser Beschützer sein sollte, nicht unser Verfolger.«
»Eine Fahne kann jeder hissen«, wandte Fidelma ein. »Ist das dein Beweis?«
»Nicht unbedingt. Macliau, der junge Herr, steht in schlechtem Ruf«, platzte er erbost heraus. »Keines Vaters Tochter ist vor dem sicher. Er nimmt sich ein Mädchen nach dem anderen, und wir dürfen dafür zahlen.«
Fidelma dachte an Trifinas Schilderung, was sie von ihrem Bruder hielt. Auch hatte Trifina gewusst, dass Barbatil der Vater von Argantken war, Macliaus Gefährtin auf der Burg.
»Die Tatsache, dass es ein Mann mit Frauen treibt, macht ihn nicht gleich zum Mörder«, gab sie zu bedenken.
»Keine Frau ist vor ihm sicher, und selbst die Kirche sieht über seine Ausschweifungen hinweg, statt ihn ins Gebet zu nehmen.« Der Seitenhieb galt Bruder Metellus. »Nichts geschieht, nur weil er der Sohn des mac’htiern ist, dessen Fahne jetzt Angst und Schrecken über die ganze Halbinsel bringt.«
»Du sagst, dass die Männer, die über eure Leute herfallen, das Symbol von Brilhag mit sich führen. Hast du jemals daran gedacht, nach Brilhag zu gehen und eine Erklärung zu verlangen?«
»Doch. Anfangs haben wir das getan. Wir haben mit Lady Trifina gesprochen, weil ihr Vater Lord Canao nicht anwesend war. Sie stand uns Rede und Antwort. Macliau war nicht zugegen. Sie behauptete, Krieger von Brilhag hätten nichts mit den Überfällen zu tun. Sie versprach, der Sache auf den Grund zu gehen, und wollte herausfinden, wer die Verbrechen verübte. In Wahrheit ist nichts geschehen.«
»Trotzdem frage ich noch einmal: Wo ist dein Beweis dafür, dass Macliau für alles zur Rechenschaft zu ziehen ist?« Fidelma blieb hartnäckig.
»Beweis? Du willst Beweise?« Er schäumte. »Nicht genug, dass dieser Wüstling meine Tochter Argantken verführt hat! In ihrem Namen beschuldige ich ihn des Mordes!«
Erregtes Gemurmel ging durch die Menge, als der Name des Mädchens fiel.
»Wenn Argantken ihn des Mordes beschuldigt, dann möge sie vortreten und es selbst tun«, verlangte Fidelma.
Das Murren wurde merklich lauter.
»Wie soll sie das machen, wenn sie selbst sein Opfer ist!« Barbatil schrie es heraus.
Fidelma starrte ihn an. Sie hatte Mühe, seine Worte zu begreifen.
»Argantken, deine Tochter, wurde ermordet?«
»Ich hab es doch eben gesagt.«
In Fidelmas Kopf überstürzten sich die Gedanken. Als sie wieder sprach, hatte sie einen milderen Ton gefunden.
»Es tut mir aufrichtig leid, guter Mann. Trotzdem brauchen wir die Tatsachen, andernfalls kommen wir zu keiner Lösung. Sei getrost, dir wird Gerechtigkeit widerfahren. Aber ich wiederhole, es geht um Gerechtigkeit, nicht um Rache. Und nun berichte bitte wahrheitsgemäß.«
Vom Kummer übermannt, sackte er ein wenig in sich zusammen, war aber bereit, zu sprechen.
»Es ist noch nicht lange her, da warf dieser Macliau ein Auge auf meine Tochter. Sie ist … sie war … hübsch. Ihre Mutter liebte sie abgöttisch, und ich nicht minder. Sie war eine gute Tochter. Dann tauchte er eines Morgens auf, betörte sie mit honigsüßen Worten und überredete sie, mit ihm davonzureiten. Sie glaubte seinen Versprechungen von Heirat und Reichtum … Als ob die Tochter eines armen Bauern jemals die Frau des adligen Herrn auf Brilhag werden könnte! Sie war zu naiv und vertraute ihm. Ich flehte sie an, nach Hause zurückzukehren, aber sie wollte davon nichts wissen. Sie glaubte Macliaus Lügen und Verlockungen. Gestern Morgen erfuhr ich, dass man Argantken und Macliau nicht weit von uns bei Kerignard an der Küste hatte reiten sehen. Ich beschloss, einen letzten Versuch zu unternehmen, sie zum Heimkommen zu bewegen. Da ich aber wusste, dass Macliau in Begleitung von Kriegern war, holte ich mir ein paar Nachbarn zur Rückendeckung.«
»Wie viele waren das?«, unterbrach ihn Fidelma.
»Zwei oder drei, sie sind hier mit dabei.« Aus der Runde kam zustimmendes Raunen.
»Und weiter?«
»Wir machten uns auf nach Kerignard. Ich kannte die kleine verfallene Kapelle dort und wusste, dass Macliau bei anderen Jagdausflügen dort übernachtet hatte. Ich vermutete ihn da.«
»In einer verfallenen Kapelle?«
»Sie liegt an der Küste ganz nahe bei Kerignard. Es ist ein
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