1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
militärischen Schwung vermissen. »Felix Zeidler aus Köthen, ebenfalls Bergstudent in Freiberg. Wir würden uns gern Ihrer Einheit anschließen, um unseren Beitrag fürs Vaterland zu leisten.«
Ein wenig mitleidig sah Colomb auf ihn, wenngleich seine Gesichtszüge streng blieben.
»Haben Sie eine militärische Ausbildung?«
»Nein«, gab Felix zu.
Sofort übernahm sein Freund das Wort. »Aber er ist ein brillanter Reiter! Er ist auf einem Gestüt aufgewachsen. Wenn Sie eilige Depeschen zu befördern haben – keiner ist so schnell wie er! Und er kommt auch mit fremden Pferden auf Anhieb zurecht, als wäre er seit Jahren mit ihnen vertraut. Außerdem hätten wir da eine Idee, die Ihnen vielleicht helfen könnte.«
»Ich höre.« Colomb gab sich keine Mühe, seine Skepsis zu verbergen.
»Wir können als Studenten getarnt mit unseren Vermessungsgeräten in die Ortschaften gehen und sie für Sie auskundschaften«, stellte Richard euphorisch seinen Plan vor. »Die Geräte haben wir mitgebracht, auch ein paar Lehrbücher als Tarnung. Niemand wird uns für Angehörige eines Freikorps halten, wenn wir damit auftauchen.«
Diese Idee fand Colomb recht interessant, doch sie allein überzeugte ihn nicht.
»Ein guter Schütze? Beweisen Sie es!«
Er ließ Richard ein Gewehr bringen und forderte ihn auf, den dritten Ast an einem Baum in dreißig Schritt Entfernung zu treffen. Zufrieden konstatierte er, dass der Bursche sich zumindest beim Laden geschickt anstellte. Und er war schnell dabei. Richard zielte sorgfältig und traf.
Colomb ließ ihn noch einmal laden und das Gewehr seinem Gefährten reichen.
»Das Astloch in Augenhöhe!«
Bereitwillig nahm Felix die Waffe in die Hand, gestand aber, dass er noch nie einen Schuss abgefeuert hatte.
Colomb war drauf und dran, die Geduld zu verlieren. Was wollte der Junge dann hier?
»Wenn Sie in mein Kommando eintreten wollen, werden Sie schießen müssen. Also: Feuer!«, befahl er streng.
Auch Felix zielte sorgfältig; zumindest das musste ihm sein Gefährte schon gezeigt oder erklärt haben. Er feuerte und traf dicht neben die vorgegebene Stelle.
Nicht schlecht für den allerersten Schuss!, dachte Colomb. Wenn er als Reiter wirklich so brauchbar ist, wie sein prahlerischer Freund behauptet, steckt vielleicht mehr in ihm, als der erste Eindruck vermuten lässt. Dennoch wäre es ihm lieber, der Junge würde heim zu seiner Mutter oder zu seinem Professor an der Bergakademie gehen. Er gehörte nicht in den Krieg.
»Ein brillanter Reiter, ja?«, fragte er provozierend, so wie zuvor den ersten Anwärter. »Beweisen Sie es! Eines der Pferde, die wir neulich erbeutet haben, ist derart ungestüm, dass es meine Ordonnanz aus dem Sattel geworfen hat. Wir mussten den Mann schwer verletzt zurücklassen. Ein schönes Pferd, sehr schnell. Aber wenn es niemand von uns reiten kann, müssen wir es erschießen. Versuchen Sie Ihr Glück!«
Auf sein Zeichen ging einer der Oberjäger, die in der Nähe standen und das Geschehen verfolgten, das Tier holen, eine Schimmelstute mit schlanken Fesseln, elegantem Bau und so hohem Rist, dass mancher Beobachter sich fragte, ob dieser schmächtige Köthener überhaupt ohne Hilfe in den Sattel kam. Sie schnaubte und tänzelte unruhig, schlug sogar aus.
Aufmerksam beobachtete der Rittmeister seinen angehenden Rekruten, der sich verlegen durch das krause Haar strich und die Brille zurechtrückte.
»Niemand wird es Ihnen schlecht anrechnen, wenn Sie zurücktreten«, sagte er ungewohnt milde. »Sie ist so stur, dass sie sich lieber mit der Kandare verletzt, als jemanden von uns in den Sattel zu lassen. Wenn Sie sich also nicht absolut sicher sind, diesen Ritt zu überleben, ohne das Pferd zuschanden zu machen, lassen Sie es lieber bleiben. Ich möchte Ihrer Mutter keine schlechte Nachricht schicken müssen.«
Er hoffte einfach, dass die äußerst waghalsige Mutprobe den Burschen dazu brachte, sich doch lieber seinen Studien zuzuwenden. Die Mahnung Blüchers hallte noch in ihm nach, dass man junge Leute ohne Kampferfahrung nicht sinnlos opfern dürfe. Und die Abschiedsworte seiner Vorgesetzten, die ihn mit einem »Auf Nimmerwiedersehen!« ins Feindesland geschickt hatten.
Zu seiner Überraschung ging der Köthener gelassen, aber ohne Zögern auf die Stute zu, redete mit leiser Stimme auf sie ein und ließ sie an seiner Hand riechen. Er strich über ihre Nüstern, den Hals und sprach weiter auf sie ein, ohne dass jemand von den Männern ein Wort verstand,
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