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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Einen Rückzug ohne Kampf hätte weder die russische Armeeführung noch das russische Volk akzeptiert. So wie wir jetzt bei Bautzen noch einmal Flagge zeigen mussten, damit die Österreicher nicht an uns zweifeln und am Ende doch zu den Franzosen zurückkehren.«
    »Wie später Moskau war Smolensk vollkommen geräumt, wir fanden dort kein Korn und keine Krume Brot«, konstatierte Thielmann nachdenklich. »Beide Städte waren zu schnell und zu gründlich geleert für eine spontane Flucht der Bevölkerung. Wenn Sie mir die Frage gestatten, Hoheit: Trifft das Gerücht zu, dass Sie und der Oberst von Wolzogen diese Taktik, den Rückzug in die Weiten des Landes, schon Jahre vor Bonapartes Angriff auf Russland empfohlen haben?«
    Eugen von Württemberg nickte. »Ja, in unserer Denkschrift
Über Napoleon und die Art, gegen ihn Krieg zu führen.
Ich hatte mit Wolzogen einen ausgezeichneten Lehrer in taktischer Ausbildung, und diese Frage diskutierten wir schon, als ich noch ein Junge war. Den überlegenen Feind, den wir nicht an den Grenzen aufhalten konnten, in die Weite des Landes zu locken, ihm immer wieder auszuweichen und dafür zu sorgen, dass er sich in diesem riesigen Land nicht verpflegen kann – ja, das war unser Plan. Den Feind nicht in einer großen Schlacht, sondern durch den Hunger besiegen, mit Kosakenabteilungen seine Proviantierungskolonnen stören, ihn schwächen und ermüden und dann mit geballter Kraft zuschlagen! Vor drei Jahren reichten wir diese Denkschrift ein, und der Zar war davon sehr angetan. Auch wenn er das nicht offen aussprechen konnte – mit Rücksicht auf seine Generalität, die kämpfen wollte, und auf das Volk, das noch an einen schnellen Sieg glaubte.«
    »Haben
Sie
auch empfohlen, Moskau niederzubrennen, falls es eingenommen werden sollte?«, fragte Thielmann, nun noch mehr verwundert und beeindruckt von der Brillanz dieses ungewöhnlichen jungen Generals.
    Prinz Eugen trank sein Glas leer, stützte einen Arm auf den Kaminsims und drehte den Stil des kunstvoll geschliffenen Glases gedankenversunken zwischen den Fingern.
    »Wir schlugen es vor. Aber diese Entscheidung konnten nur die Russen selbst treffen. Sie taten es mit einer Härte gegen sich selbst, die ganz Europa zum Staunen brachte und Respekt abnötigte. Napoleon sollte sich seines Sieges nicht erfreuen. Der Qualm der brennenden Stadt und der Mangel an Nahrung haben ihn und seine Männer fortgetrieben.«
    »Die Strategie ging auf«, konstatierte Thielmann nüchtern. Wie viel von Moskaus Häusern war wohl inzwischen instand gesetzt oder wiedererbaut worden?
    »Ja, nur wird aus den genannten Gründen nie davon die Rede sein, dass dies keine russische Idee war. Soll Kutusow dafür gerühmt werden; er war ein verdienstvoller Mann. Obwohl er bei Annahme des Oberbefehls noch drängte, das ewige Rückziehen müsse ein Ende haben. Das hat uns bei Borodino viel Blut gekostet. Wolzogen und ich plädierten übrigens dafür, Napoleons Streitmacht zu verfolgen und gefangen zu nehmen. Das wurde abgelehnt. Es hätte vielen Männern viel Leid erspart.«
    »Ja, das hätte es«, meinte Thielmann bitter und fragte sich, ob er dann wohl noch am Leben wäre. So unbeschreiblich qualvoll, wie viele seiner Männer starben, hätten die meisten von ihnen sicher einen schnellen Tod bevorzugt. Doch dann musste er plötzlich an diese Frau denken, die in Torgau vergeblich nach ihren vier Söhnen gesucht hatte. Lisbeth Tröger.
    Wenn er ihr wenigstens einen der Jungen hätte heimbringen können! Sie hätte ihn freudig in die Arme geschlossen, auch wenn ihm ein Bein fehlte oder ihm die Zehen abgefroren wären …
    Doch falls er ihre Söhne unversehrt wieder mit nach Torgau geführt hätte, würden sie in der nächsten Schlacht erneut auf französischer Seite stehen. Und er auf der anderen.
    Mit einem Ruck trank er sein Glas aus und erforschte das Gesicht des fünfundzwanzigjährigen Taktikgenies. Eine Frage brannte ihm auf dem Herzen. Nur war er sich nicht sicher, ob und wie er sie vorbringen sollte.
    Eugen von Württemberg verstand das Schweigen und forderte sein Gegenüber mit einem Blick auf, offen zu sprechen.
    »Gestatten Sie mir noch eine Frage, Hoheit. Sie haben als Württemberger gegen Württemberger gekämpft …«, begann Thielmann.
    »Abgesehen davon, dass ich mich eher als Schlesier fühle, weil ich meine Kindheit in Schlesien verbrachte, bis ich an den Zarenhof gerufen wurde – ja«, erwiderte Eugen, der sofort begriff, worauf sein Gegenüber

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