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19 Minuten

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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Mütter hatten solche gemeinsamen Erinnerungen mit ihren Töchtern, und erst jetzt wurde Alex klar, dass es ihre Aufgabe gewesen wäre, für solche Augenblicke zu sorgen.
    »Na bitte«, sagte Josie, nachdem sie Alex die Lippen nachgezogen hatte, und drehte sie zum Spiegel. »Wie findest du's?«
    Alex starrte in den Spiegel, aber sie sah nicht sich an. Josie stand hinter ihr, und zum ersten Mal erkannte Alex tatsächlich ein Stück von sich selbst in ihrer Tochter. Aber da war noch etwas anderes, etwas, das Josies Anblick für Alex in diesem Augenblick so faszinierend machte. Es war weniger die Form des Gesichts als vielmehr das Leuchten darin, weniger die Farbe der Augen als der Traum, der wie Rauch darin gefangen war. Selbst mit dem teuersten Make-up hätte Alex nicht so aussehen können wie Josie. So sah nur jemand aus, der verliebt war.
    Konnte man auf sein eigenes Kind neidisch sein?
    Josie klopfte Alex auf die Schultern. »Ich würde dich auf jeden Fall wiedersehen wollen.«
    Es klingelte an der Haustür. »Ich bin noch nicht mal angezogen«, sagte Alex panisch.
    »Ich halt ihn hin.« Josie lief die Treppe hinunter. Während Alex in ihr schwarzes Kleid und die Stöckelschuhe schlüpfte, hörte sie Stimmen von unten.
    Joe Urquhardt war ein kanadischer Banker, der sich in Toronto mit Liz' Bruder eine Wohnung geteilt hatte. Er sei, so hatte Liz versprochen, ein netter Kerl, und wie Alex angenehm überrascht registrierte, war Joe auch kein Gnom, sein welliges braunes Haar war echt, und er hatte Zähne. Als er Alex erblickte, stieß er einen Pfiff aus. »Alles aufstehen«, sagte er. »Und mit alles meine ich vor allem meinen besten Freund.«
    Das Lächeln gefror auf Alex' Gesicht. »Einen Moment noch bitte«, sagte sie und zerrte Josie in die Küche. »Nenn mir das beste Versteck im Haus, bitte, sofort.«
    »Okay, das war ziemlich furchtbar. Aber wenigstens isst er grüne Sachen. Ich hab ihn gefragt.«
    »Kannst du nicht rausgehen und ihm sagen, mir wär auf einmal schlecht geworden?«, flehte Alex. »Und dann bestellen wir beide uns was beim Italiener. Leihen uns einen Film aus oder so.«
    Josies Lächeln erstarb. »Aber Mom, ich hab doch schon was vor.« Sie spähte durch die Tür ins Wohnzimmer, wo Joe wartete. »Ich könnte -«
    »Nein, nein«, sagte Alex mit einem gezwungenen Lächeln. »Wenigstens eine von uns sollte sich heute Abend amüsieren.«
    Sie ging zurück ins Wohnzimmer, wo Joe gerade die Unterseite eines Kerzenständers inspizierte. »Es tut mir leid, aber mir ist was dazwischengekommen. Eine dringende Angelegenheit«, log sie. »Ich muss sofort zum Gericht.«
    »Oh«, sagte Joe. »Tja, den Mühlen des Gesetzes lege ich natürlich keine Steine in den Weg. Dann müssen wir uns wohl ein anderes Mal um unsere dringende Angelegenheit kümmern, was?«, sagte er mit einem anzüglichen Grinsen.
    Alex nickte und dirigierte ihn nach draußen. Sie zog die Stöckelschuhe aus und tappte nach oben, um ihre verschlissenste Jogginghose anzuziehen. Sie würde Schokolade zum Abendessen futtern, sie würde sich Schnulzen angucken, bis sie rotgeweinte Augen hätte. Als sie am Bad vorbeikam, hörte sie die Dusche laufen. Josie machte sich für ihr Date fertig.
    Alex legte die Hand auf die Klinke und zögerte. Sie fragte sich, ob Josie sich freuen würde, wenn ihre Mutter hereinkäme, um ihr beim Schminken und Frisieren Gesellschaft zu leisten - so wie Josie es vorhin getan hatte. Aber für Josie wäre das ganz ungewohnt. Sie hatte sich schon ihr ganzes Leben lang Augenblicke von Alex' Zeit erschlichen, wenn Alex damit beschäftigt war, sich auf etwas anderes vorzubereiten. Irgendwie war Alex davon ausgegangen, dass sie unendlich viel Zeit hätten, dass Josie immer da sein würde und auf sie wartete. Sie hätte nie gedacht, dass sie eines Tages allein zurückbleiben würde.
    Nach Peters Referat in Mathe blieb Josie die Häme der anderen nur deshalb erspart, weil sie am selben Tag Matt Roystons Freundin geworden war. Er brachte sie meistens bis zur Tür ihres jeweiligen Unterrichtsraums und verabschiedete sich vor aller Augen mit einem Kuss. Jeder, der so unbedarft war, Peter Houghton im Zusammenhang mit Josie zu erwähnen, bekam es mit Matt zu tun.
    Peter selbst versuchte, wieder an den alten vertrauten Kontakt mit Josie anzuknüpfen. Bei der Arbeit im Copyshop versuchte er ihre klaren Zeichen zu übersehen: Sie drehte sich weg, wenn er hereinkam, sie antwortete nicht, wenn er sie etwas fragte. Schließlich sprach er sie

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