Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
habe und somit nicht schwanger werden könne. Er konnte kaum fassen, dass ihm das wirklich passiert war. Aber so war es, wirklich und wahrhaftig. In der wirklichen Welt. Wahrscheinlich.
    Er stand auf und zog sich an, ging in die Küche und setzte Wasser auf, um Kaffee zu kochen. Dabei versuchte er seine Gedanken zu ordnen. Wie man eine Schublade aufräumt. Aber es gelang ihm nicht, eine richtige Ordnung hineinzubringen, er vertauschte nur wahllos die Position einiger Dinge. An die Stelle, an der der Radiergummi gewesen war, legte er die Büroklammern, an ihre Stelle kam der Spitzer, und dorthin, wo der Spitzer gelegen hatte, legte er den Radiergummi. Er ersetzte bloß eine Form des Durcheinanders gegen eine andere.
    Nachdem er eine Tasse frischen Kaffee getrunken hatte, ging er ins Bad und rasierte sich zu den Klängen einer Radiosendung über Barockmusik. Gespielt wurde gerade eine Partita von Telemann für verschiedene Soloinstrumente. Tengo tat also das, was er immer tat. Kochte in der Küche Kaffee, trank ihn und rasierte sich, während er im Radio die Sendung Barockmusik für Sie hörte. Nur das Programm der Sendung hatte sich geändert. Gestern war es um Musik für Tasteninstrumente von Rameau gegangen.
    Der Sprecher gab eine kurze Einführung.
    Telemann war zu Anfang und in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein in ganz Europa hochgeschätzter Komponist. Ab dem 19. Jahrhundert fielen seine Werke in der Gunst des Publikums, was jedoch in keiner Weise an Telemann selbst lag. Im Zuge bestimmter Entwicklungen in der europäischen Gesellschaft hatten sich die Ansprüche an das musikalische Schaffen geändert, und es war daher zu einem Wertewandel gekommen.
    Ob das hier auch eine neue Welt ist?, überlegte Tengo.
    Wieder schaute er sich um. Er konnte jedoch keinerlei Veränderung entdecken. Bis jetzt auch noch niemanden, der ihn geringschätzte. Gleichwie, er musste sich rasieren. Ob die Welt sich nun gewandelt hatte oder nicht, niemand würde sich an seiner Stelle für ihn rasieren. Nur er selbst konnte das tun.
    Anschließend aß er ein paar Scheiben Toast mit Butter und trank noch eine Tasse Kaffee. Er ging ins Schlafzimmer, um nach Fukaeri zu sehen, aber sie rührte sich nicht und schien weiter fest zu schlafen. Sie lag in unveränderter Haltung da, und ihr Haar zeichnete noch dasselbe Muster auf ihre Wangen. Ihr Atem ging ebenso friedlich wie zuvor.
    Zurzeit hatte er keine Verpflichtungen. Keinen Unterricht an der Yobiko. Er erwartete keinen Besuch und hatte auch selbst nicht die Absicht, jemanden zu besuchen. Der ganze Tag stand ihm frei zur Verfügung. Also setzte er sich an den Küchentisch, um weiter an seinem Roman zu arbeiten. Er schrieb mit einem Füllfederhalter auf Manuskriptpapier. Wie üblich gelang es ihm gleich, sich zu konzentrieren. Sein Bewusstsein verlief nun in völlig anderen Bahnen, und in Kürze war alles andere aus seinem Blickfeld verschwunden.
    Als Fukaeri aufwachte, war es kurz vor neun. Sie zog den Schlafanzug aus und schlüpfte in eines von Tengos T-Shirts. Das von Jeff Becks Japan-Tournee, in dem er seinen Vater in Chikura besucht hatte. Ihre Brustwarzen zeichneten sich deutlich darunter ab, was Tengo unweigerlich an seine Ejakulation in der Nacht zuvor erinnerte. Wie einem der Name eines bestimmten Kaisers unweigerlich bestimmte historische Ereignisse ins Gedächtnis ruft.
    Im Radio lief Orgelmusik von Marcel Dupré. Tengo hörte auf zu schreiben und machte ihr etwas zum Frühstück. Fukaeri trank Earl Grey und aß Toast mit Erdbeermarmelade. Sie verwendete in etwa so viel Zeit und Sorgfalt auf das Bestreichen der Toastscheibe wie wahrscheinlich seinerzeit Rembrandt auf das Malen einer Gewandfalte.
    »Wie viele Exemplare haben sich denn inzwischen von deinem Buch verkauft?«, fragte Tengo.
    »Die Puppe aus Luft«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Ich weiß nicht.« Fukaeri runzelte leicht die Stirn. »Massenweise.«
    Zahlen haben für sie keine Bedeutung, dachte Tengo. Der Ausdruck »massenweise« erweckte in ihm die Vorstellung von sich bis in endlose Ferne erstreckenden Kleefeldern. Klee entsprach seiner Vorstellung von »viel«, war etwas, das niemand zählen konnte.
    Fukaeri erforschte wortlos die Streichfähigkeit der Marmelade.
    »Ich muss mich mit Herrn Komatsu treffen. So schnell wie möglich.« Tengo schaute Fukaeri über den Tisch hinweg ins Gesicht. Wie immer war ihre Miene völlig ausdruckslos. »Du hast Herrn Komatsu doch auch kennengelernt?«
    »Bei der Pressekonferenz.«
    »Habt

Weitere Kostenlose Bücher