21st Century Thrill - Mind Games
Ralph Lasky schon immer gemocht. Jons Eltern hatten sich vor Jahren getrennt. Während seine Schwester entschieden hatte, mit der Mutter zu leben, blieb Jon bei seinem Vater. Die beiden kamen gut miteinander aus. Er hörte, wie Jon in der Küche hantierte, und tappte zu ihm hinüber.
„Kannst du mal los und irgendwo ein paar Bagels holen?“, fragte Jon atemlos. Das lange Haar fiel ihm wirr auf die Schultern. Er war völlig durch den Wind. Dass sein Vater heute zu Hause auftauchen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Kris ahnte, was Jons Pläne gewesen waren: Er wollte bei Val zum Zug kommen. Und zwar schnell. Aber zwei Leute hatten ihm einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht: Kris und Herr Lasky.
Kris rannte hinunter auf die Straße. Es war allerhand los. Ein grottenschlechter Flötenspieler versuchte sich an Mozarts kleiner Nachtmusik. Die Wäscherei paffte Wolken von feuchtem, nach Waschmittel riechendem Dampf aus ihren Entlüftungsrohren. In der Bäckerei stand ein Typ mit Strohhut, der Stunden brauchte, um zu entscheiden, ob er Schrippen oder lieber ein Bauernbrot wollte. Kris trat von einem Fuß auf den anderen. Er hatte Hunger. Als er endlich drankam, verlangte er sechs belegte Bagels und stellte fest, dass sein Geld so gut wie aufgebraucht war. Schnell zahlte er und ging. Unterwegs verschlang er den ersten Bagel.
„Was?“, hörte er Herrn Lasky fragen, kaum dass er den Kopf zur Wohnungstür reinstreckte.
„Seine Schwester ist entführt worden. Kris hat den Überfall mitgekriegt. Aber die Polizei glaubt uns nicht.“
„Hier sind die Bagels.“ Kris legte die Tüte auf den Küchentisch. Jons Vater beachtete ihn nicht. Er stand mit nassen Haaren, frischen Chinos, ohne Hemd und barfuß in der Küche und drückte sein Handy ans Ohr.
„Lasky vom Tagesspiegel“, sagte er. „Ich will sofort mit Kommissarin Meixner sprechen.“
Was folgte, war ein Mix aus unterschwelligen Drohungen und höflichen Floskeln, die Kris mit „Wenn Sie nicht sofort den Arsch hochkriegen und mich zweimal am Tag über Ihre Ermittlungsfortschritte informieren, gerbe ich Ihnen das Fell und ganz Berlin wird davon erfahren“ übersetzte.
Das Gespräch dauerte keine drei Minuten.
„So“, sagte Herr Lasky. „Jetzt erzähl du, was los war.“
Kris schluckte. Er spürte, wie es ihn erleichterte, alles noch einmal zu erzählen. Und zwar jemandem, der zuhörte. Herr Lasky sagte kein Wort. Er sah Kris nicht mal an. Goss sich Kaffee ein, kaute seinen Bagel. Als Kris damit endete, wie er bei Bauer Traugott in Gosen telefoniert hatte und anschließend zu Jon gekommen war, fragte Herr Lasky:
„Hast du eine Ahnung, warum die Polizei dir nicht glaubt, Kris?“
„Tun die eigentlich was?“, mischte sich Jon ein.
„Nicht besonders viel, fürchte ich. Die Vermisstenanzeige bedeutet, dass ihnen gemeldet wird, wenn die Polizei irgendwo eine gewisse Aki Roloff aufgreift oder Leute sie irgendwo sehen. Mehr nicht.“
„Sie ist nicht einfach verschwunden“, wehrte sich Kris. „Sie wurde entführt.“
„Das hast du aber nur aus der Ferne gesehen“, berichtigte Jons Vater. „Du bist getürmt, Aki war noch auf dem Boot. Hätte es nicht sein können, dass Aki gar nichts passiert ist? Dass die Männer irgendwas anderes weggeschleppt haben?“
„Aber Aki ist weg!“ Sie hätte mich angerufen, dachte Kris. Mein Handy ist futsch, aber sie hätte es bei Jon oder Val probiert. Sie würde mich nie im Unklaren lassen. „Wo soll sie denn hin? In den Wald spazieren und mit den Wölfen heulen? Wozu, verdammt!“ Kris spürte eine solche Wut in sich, dass er am liebsten mit den Fäusten auf den Tisch getrommelt hätte. „Kapiert das eigentlich keiner? Ich weiß, wie meine Schwester tickt, verdammt noch mal!“
Ich wusste, wie meine Schwester tickt, bis ich aus dem Landschulheim zurückkam.
„Der Punkt ist“, sagte Herr Lasky ruhig, „dass die Polizei sich ein anderes Bild macht. Drei Jugendliche schneien bei ihnen rein und tischen eine schrille Geschichte auf. Ältere Schwester verschwunden. Keine Anzeichen für eine Entführung. Die Tür kann auch vorher schon jemand eingetreten haben, aus Versehen oder weil der Schlüssel verloren war.“
„Und die Spuren am Kai?“
„Die helfen nicht viel. Das kann ein Liebespaar gewesen sein. Oder einer hat sich verfahren. Kommt alles vor. Der begründete Anfangsverdacht fehlt. So nennen sie das.“
„Akis und Kris’ Laptops sind weg“, wandte Jon ein. „Und die Fingerabdrücke
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