29 - Im Lande des Mahdi III
Sihdi, der alle Bücher und Schriften von jedem Glauben auswendig kennt, mit den paar armseligen Brocken, die sie im Kopf haben, belehren zu können. Wenn du dich zu diesen Leuten zählst, so ist das deine eigene Schuld, und ich habe nichts dagegen!“
„Sag, ob du ein Moslem bist?“
„Ich bin einer.“
„Und doch redest du ihm, dem Christen, das Wort?“
„Allah 'l Allah! Ich würde sogar mehr als ein Wort für ihn reden; ja, ich würde sogar meine Flinte und mein Messer für ihn sprechen lassen! Er ist der Adler, von dem ich gelernt habe, mit ihm hoch über den Wolken zu fliegen. Dort gefällt es mir; wenn es den anderen Geschöpfen unten lieber ist, so fällt es mir nicht ein, daß sie mir meine reine Luft nicht gönnen!“
Er sagte das in einem Ton, der fast wie eine Drohung klang, und der kleine, furchtlose Kerl war ganz der Mann dazu, seinen Worten den gehörigen Nachdruck zu geben. Das wußte Ssali, der ja von ihm ebenso wie von mir gehört hatte, und darum hielt er es für geraten, seine Gegnerschaft wenigstens jetzt nicht weiter zu treiben. Auch kam es ihm, wie ich später erfuhr, sehr darauf an, uns keine Veranlassung zu geben, eine unvorteilhafte Meinung über ihn zu fassen, und so überwand er sich, in versöhnlicher Weise zu bemerken:
„Es ist mir gar nicht eingefallen, deinen Effendi anzugreifen; er mag der Christ bleiben, der er ist, während ich mich wie vorher zu Mohammed bekenne, den Allah über alle Himmel erheben wird.“
„Du hast aber nicht bloß von der Religion gesprochen, sondern ihm und mir mit der Blutrache gedroht!“
„Gedroht? Das habe ich nicht. Ich verehre ihn und bewundere eure Taten, darum habe ich mir erlaubt, eine Warnung auszusprechen, die aus einem wohlmeinenden Herzen kam.“
„So denke in Zukunft daran, daß es unmöglich ist, sich über ein wohlmeinendes Herz zu freuen, wenn dieses Herz sich einer unhöflichen und zorneseiligen Zunge bedient! Du hast uns eingeladen, mit dir zu essen; wir sind also deine Gäste, und mit Gästen streitet man nicht.“
„Du hast recht. Ich hatte nicht die Absicht, euch zu kränken oder gar zu beleidigen; aber wenn ich trotzdem ein Wort gesprochen habe, welches euch nicht gefallen hat, so verzeiht mir! Ich bin von der Reise ermüdet, und ein müder Mann denkt oft nicht an das, was er spricht.“
Das klang so mild und versöhnlich, daß es wohl auf gar manchen den beabsichtigten Eindruck hervorgebracht hätte, den es aber auf mich ganz und gar verfehlte. Wer sich so beherrschen konnte, aus der religiösen Begeisterung in eine demütigende Bitte um Verzeihung zu fallen, der war ein Mensch, vor dem man sich zu hüten hatte. Ich zeigte mich also äußerlich freundlich, war aber innerlich reservierter als vorher und nahm nach einiger Zeit seine vorgeschützte Ermüdung als Vorwand, das Zusammensein mit ihm abzubrechen. Wir zogen uns in unsere Abteilung zurück, und er ging hinaus, um nach seinem Pferd zu sehen und sich dann auch zur Ruhe zu begeben.
Als er wieder hereingekommen war, nahm er ein Stück brennenden Holzes von dem noch immer nicht ausgegangenen Feuer und trat damit hinter die Flechtwand, wo wir uns indessen schon niedergelegt hatten. Er leuchtete uns an und sagte, sich entschuldigend:
„Verzeiht, daß ich euch störe! Ich habe euch nur Belletak sa'ide (gute Nacht) gewünscht, ohne euch, wie man es bei Gästen tut, Allah zu empfehlen! Fi amahn Allah – in Gottes Schutz! Er gebe euch einen langen, ruhigen Schlaf!“
„Ma ßah Allah kahn wamah lam jaßah lam jekun – was Gott will, geschieht; was er nicht will, das geschieht nicht“, antwortete ich ihm.
Er nickte uns hierauf freundlich zu und verließ uns, ohne den Sinn meiner Antwort herausgehört zu haben. Ich sah durch die Zwischenräume des Flechtwerkes, daß er sich mit Hilfe seines Sattels und seiner Decke in der Nähe des Herdes ein Lager bereitete und sich auf demselben ausstreckte.
Warum war er noch einmal zu uns gekommen? Wirklich aus Höflichkeit? Gewiß nicht! Wollte er etwa nur sehen, wo und wie wir lagen? Sehr wahrscheinlich! Wenn dies der Fall war, so hatte er eine Absicht, die uns in Gefahr brachte. Sollte ich Halef sagen, was ich vermutete? Nein. Das liebe, gute Kerlchen bedurfte mehr als ich des Schlafes, und so beschloß ich, ihn nicht zu beunruhigen und lieber selbst die ganze Nacht wach zu bleiben. Er war weniger bedroht als ich, denn er lag an der Mauer, während mein Platz derjenige war, den ein heranschleichender Feind zuerst erreichen
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