4 Meister-Psychos
zurück.
Peters saß auf seinem Platz und
rauchte. Das Radio war eingeschaltet, aber stumm.
»Kommt nichts raus?« fragte
ich.
»Nichts Vernünftiges. Überall
Nachrichten.«
»Schon zehn?«
»Ja.«
»Donnerwetter. Beim Saufen
vergeht die Zeit. Hier ist der Göttertrank.«
Ich stellte sein Glas vor ihn
hin. Dann setzte ich mich und lehnte mich zurück. Beinahe alles erledigt,
dachte ich.
Ich griff nach meinem Glas.
»In Anbetracht der
bevorstehenden Trennung, Herr Peters«, sagte ich, »fühle ich in mir das
Bedürfnis, auf Ihr Wohl zu trinken. Meinen Dank für alles, was Sie für mich
getan haben. Ein fröhliches Prost!«
»Ein fröhliches Prost«, sagte
Peters.
Aber er faßte sein Glas nicht
an. Er langte hinter sich. Zuerst begriff ich nicht, was er tat. Dann sah ich
es.
Mein Herz fing an, hämmernd
gegen meine Rippen zu schlagen. Er hatte mich durchschaut. Er wußte Bescheid.
Meine Vorahnung war richtig
gewesen. Ich sah in seiner rechten Hand einen flachen, grauen Kasten, länglich,
mit abgerundeten, walzenförmigen Enden. Ich sah Knöpfe, eine Skala.
Ich hörte ein leises, summendes
Geräusch.
Ein FH 40.
Ein Meßgerät für Strahlen aus
unserem Institut.
Peters legte den Apparat dicht
neben das Glas, das ich ihm gegeben hatte.
Wie durch einen blutigen Nebel
sah ich, wie die Nadel zitternd ausschlug. Weit, bis zum Anschlag.
Eine ungeheure Falle schnappte
dröhnend hinter mir zu.
Peters’ Stimme kam hart und
trocken über den Tisch.
»Wollen Sie nicht lieber dieses
Glas nehmen, Herr Butterweis?«
Ich rührte mich nicht.
Er hob den Zähler hoch, beugte
sich vor, hielt ihn neben mein Glas. Der Zeiger schwang zurück.
»Ich kenne Ihren Cocktail«,
sagte Peters. Sein Gesicht war dunkel vor Wut. »Zwei Teile Rum, ein Teil
Zitrone. Ein halber Teelöffel Zucker, je nach Geschmack. Und ein Schuß
Strontium neunzig, nicht zu vergessen. Und nun wollen wir doch aufhören,
Theater zu spielen.«
»Ja«, sagte ich mit rauher
Stimme. »Nun wollen wir aufhören.«
Ich hatte mein Glas nicht
losgelassen. Ich hob es hoch und trank es mit einem Zug aus. Dann setzte ich es
auf den Tisch.
»Möchten Sie nicht lieber doch
trinken, Herr Peters?« fragte ich. »Einen Gedenkschluck auf Vera?«
Er sah mich an. Seine Augen war
eiskalt.
»Ich werde Ihnen zeigen, was
ich tun werde!«
Er stand auf, nahm das Glas vom
Tisch und trug es zu einem kleinen Wandschrank. Er schloß es ein und zog den
Schlüssel ab. Dann ging er zur Tür. Ich hörte das Schloß schnappen, hatte
jedoch keine Furcht. Ich wußte, was kommen würde.
Peters ging zurück zu seinem
Stuhl. Jetzt sah er aus, wie er wirklich war. Sein Gesicht war höhnisch
verzerrt. Nichts Anziehendes war mehr darin.
Vera konnte froh sein.
Er setzte sich nicht, sondern
blieb stehen und legte die Hände flach auf die Tischplatte.
»Na, halten Sie Ihre Rede«,
sagte ich.
Er betrachtete mich voller
Verachtung, mit kurzem höhnischem Nicken, wie ein Lehrer, der immer gewußt hat,
daß es mit dem Schüler schlecht enden wird.
»Der ehrenwerte Herr
Butterweis«, stieß er hervor. »Der Mann, vor dem jede Fliege sicher ist. Der
stille Arbeiter im Winkel. Haben Sie mich für so blöde gehalten, wie Sie selbst
sind? Ich wußte vom ersten Tag an, daß Sie mich hassen. Ich habe mir nichts
daraus gemacht, aber ich wußte es. Ich habe noch keinen kleinen, mickrigen Hund
gesehen, der die anderen nicht gehaßt hätte. Aus Inferiorität, aus Neid, aus
Minderwertigkeit. Eine stinkende, kriechende Ratte sind Sie, weiter nichts!«
»Piep, piep«, sagte ich.
»Ihr dreckiges Lachen vergeht
Ihnen noch, mein Lieber! Sie vergiften niemanden mehr mit Strontium. Ich wußte
zuerst auch nicht, woher Vera die Anämie hatte. Jetzt weiß ich es. Als ich sah,
daß das Strontium nicht mehr da war, wußte ich es.«
Seine Lippen waren naß von
Speichel. Sein Gesicht glühte.
»Glauben Sie, ich habe Sie ohne
Grund zu mir eingeladen? Glauben Sie, ich habe Sie nicht mit Absicht Ihren
Cocktail allein mixen lassen? Erst Vera, dann ich! Nur der untadelige
Butterweis bleibt übrig! Der stille, feine Mensch!«
Sein keuchender Atem streifte
mein Gesicht.
»Sie müssen Luft holen«, sagte
ich.
Ich war ganz ruhig. Mein Plan
war gescheitert. Aber ich hatte es geahnt und war deswegen weniger erschrocken.
Ich empfand keine Furcht mehr vor Peters. Es war mir unbegreiflich, wie ich ihn
je hatte fürchten können.
Ich fragte:
»Was wollen Sie jetzt machen?«
»Mit Ihnen auf die Polizei
warten, mein
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