Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
52 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 04 - Arizona

52 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 04 - Arizona

Titel: 52 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 04 - Arizona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Mast und Bugspriet versehen war – hier am Rio Gila gewiß eine Seltenheit. Wunderbar aber war die Auszeichnung des kleinen Dampfers. Nämlich vorn über dem scharfen Bug befand sich ein riesengroßes Bild. Es stellte einen langen, unendlich langen Mann vor mit einem außerordentlich gutmütigen, auch in die Länge gezogenen Gesicht, in dem sich eine kleine, nach oben gerichtete Stumpfnase recht eigentümlich ausnahm. Der Kopf dieses Gemäldes trug einen riesigen, breitrandigen Filzhut. In der einen Hand hielt der Mann eine Doppelbüchse, in der anderen einen großen Jagdspeer. Im Gürtel steckten zwei Tomahawks, zwei Messer, zwei Pistolen und zwei Revolver. Auf dem Rücken trug er einen indianischen Schild und auf der Nase eine riesige Klemmbrille. Gekleidet war die Gestalt genau wie ein Indianer, in Mokassins, Leggins und ledernes Jagdhemd nebst ebensolchem Jagdrock. Unter diesem sonderbaren Bild war in großen, goldenen Lettern zu lesen: ‚Lord Eaglenest, the Wood loafer‘, das heißt zu deutsch: Lord Eaglenest, der Waldläufer.
    Wäre die Jacht erst jetzt angekommen, so hätten sicher sämtliche Bewohner des Ortes am Ufer gestanden, um sie zu betrachten und ihre Bemerkungen darüber zu machen. Da sich aber kein Mensch in der Nähe befand, so war anzunehmen, daß sie bereits seit geraumer Zeit hier vor Anker liege.
    „Wunderbar!“ brummte der Bootsmann. „Ein so selten nettes Schiff und ein so unbegreifliches Avis. Der Mann ist ganz sicher ein Engländer und hat den Spleen nicht nur im Kopf, sondern auch in allen Gliedern. Ob der den Gila befahren will? Hm!“
    Langsam schlenderte er weiter am Fluß hin, wo die Gebäude standen, einige von Stein, die meisten aber nach Blockhüttenart gebaut. Gila City war noch klein, gab aber, da es am Einfluß des Gila in den Colorado lag, die Bürgschaft eines schnellen Emporkommens.
    Um irgendeinen Schritt in der Angelegenheit des Seelenverkäufers zu tun, wollte der Bootsmann eine kleine Herzstärkung zu sich nehmen. Er trat also in eine ihm bereits bekannte Schenke, in der er zu verkehren pflegte, wenn er nach Gila City kam. Kaum aber hatte er die Tür geöffnet, so blieb er ganz erstaunt unter derselben stehen. Da saßen zwei Männer am Tisch, ein junger und ein älterer, und dieser letztere war ganz genau das Original des Gemäldes, das er am Bug des kleinen Dampfers gesehen hatte. Die kleine Nase, der große Hut, die Klemmbrille, alles war da außer der fürchterlichen Bewaffnung; denn der Mann trug jetzt nur ein Messer im Gürtel.
    Der jüngere war ähnlich gekleidet, von seinem Gliederbau und trotz seiner Präriekleidung von vornehmem Aussehen. Es bedarf wohl kaum der Bemerkung, daß der ältere der beiden der englische Lord Eaglenest war. Der jüngere war sein Verwandter, Hermann von Adlerhorst, der damals, als er sich mit dem Maler Paul Normann in Konstantinopel befand, den Namen Wallert geführt hatte.
    Die Dampfjacht war ganz dieselbe, die der Lord während seiner Reise nach Konstantinopel, Tunis und Ägypten benutzt hatte. Nur war anstelle des Bildes ein anderes gekommen, und zwar infolge einer neuen eigentümlichen Marotte des Lords, nachdem er seinen Lieblingswunsch, eine Entführung aus dem Serail, aufgegeben hatte.
    Beide Männer saßen bei einem mit Zucker gesüßten und mit Wasser verdünnten Glas Brandy.
    Der Bootsmann setzte sich an einen anderen Tisch und ließ sich ebenfalls einen Brandy geben, den der Wirt einschenkte, der sich augenscheinlich in einem Gespräch mit den beiden ersteren Gästen befunden hatte. Jedenfalls war ihm kurz vor dem Eintreten des Bootsmanns von dem Lord die Frage vorgelegt worden, ob er Englisch verstehe, denn als er Forner das Glas hingesetzt hatte, wandte er sich mit der Antwort an den Engländer:
    „Freilich spreche und lese ich englisch. Das muß ich als Wirt doch wohl verstehen.“
    „Und kennt Ihr den Rio Gila so, daß man von Euch Auskunft erhalten kann?“
    „Ich habe mich bereits seit einer ganzen Reihe von Jahren am Fluß aufgehalten. Welche Auskunft wünscht Ihr denn?“
    „Seht Euch einmal diesen Titel an. Kennt Ihr ihn?“
    Der Lord zog ein Buch aus der Tasche, dessen Überschrift, ins Deutsche übersetzt, folgendermaßen lautete: ‚Der Waldläufer von Gabriel Ferry. Erster Band‘. Der Wirt warf einen Blick darauf und sagte:
    „Natürlich kenne ich es. Dieses Buch wird außerordentlich viel gelesen. Die Geschichte spielt in der Apacheria und am Rio Gila. Sie ist sehr interessant.“
    „Ja, ungemein

Weitere Kostenlose Bücher