52 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 04 - Arizona
vermutete? – – –
Schon am Nachmittage wurde die Einsamkeit des Silbersees unterbrochen. Durch den vom Norden in das Tal führenden Paß kamen drei Reiter langsam herbeigetrabt, von denen zwei abgeschabte Jägerkleidung trugen. Der dritte hatte ein weniger mitgenommenes Gewand an. Auch sein Pferd war frischer und rüstiger als die anderen Tiere. Er deutete auf das Wasser und sagte:
„Das ist der Silbersee, Señor, von dem ich erzählte, daß wir an ihm vorüber müßten. Hat Eure Reise Eile?“
„Warum fragt Ihr?“
„Weil mir scheint, daß wir bald Regen haben werden, und ich möchte die Nacht lieber in einem Zimmer zubringen, als unter freiem Himmel.“
„Ihr sprecht von Zimmer. Gibt es denn hier irgendeinen bewohnten Ort?“
„Natürlich. Die alte berühmte Mission am Silbersee.“
„Ah! Mönche! Das ist nicht mein Geschmack.“
„Die waren früher einmal da, sind nun schon längst bei den anderen frommen Vätern versammelt. Was Ihr da finden werdet, sieht gar nicht nach Mönch aus, nicht einmal nach Nonne.“
„Doch nicht etwa eine junge Señorita?“
„Gerade das und nichts anderes. Und was für eine! Schön wie ein Engel, fromm wie eine Heilige und verführerisch wie eine Venus.“
„Wer ist sie denn, und wie heißt sie?“
„Die eine Frage kann ich beantworten, die andere aber nicht. Sie wird allgemein die ‚Taube des Urwalds‘ genannt und wohnt mit ihrem Vater unter dem Schutz der Apachen in der alten, verlassenen Mission.“
„Sie muß doch einen Namen haben.“
„Hoffentlich. Ich kenne ihn leider nicht.“
„Ist sie reich?“
„Läßt sich denken. Hier um den See herum soll mancher Schatz vergraben liegen.“
„Ist es noch weit bis zu der Mission?“
„Gar nicht. Hier biegen wir um den Felsen, und da liegt sie. Seht Ihr, da links.“
„Hm. Nicht übel. Und Ihr denkt, daß wir heute Regen bekommen?“
„Ganz gewiß. Wir haben Euch nichts zu befehlen. Ihr habt uns als Führer gemietet und bezahlt uns gut. Wir müssen uns also nach Euren Befehlen richten. Aber wir haben doch auch auf Euer Wohl zu sehen, und wenn Ihr auf einen guten Rat hören wollt, so bleiben wir heute nacht in der Mission.“
„Wird man uns dort aufnehmen?“
„Sehr gern. In solcher Gegend ist man froh, einen Weißen zu sehen.“
„Na, wollen es versuchen.“
Den beiden Führern war es um ein gutes Quartier, dem Herrn aber wohl meist darum zu tun, die ‚Taube des Urwalds‘ kennenzulernen.
Es schien sich kein Mensch in der Nähe des Sees zu befinden. Als sie am Eingang der Mission angelangt waren, mußte der eine Führer wiederholt an der Pforte klopfen, ehe das Guckloch geöffnet wurde.
„Wer seid ihr?“ fragte dann endlich die alte Indianerin.
„Reisende, wir kommen von Isleta und wollen nach Prescott hinab.“
„Weshalb klopft ihr an?“
„Wir bitten um Quartier für die Nacht.“
„Schlaft unter den Bäumen!“
„Es wird heute regnen.“
„Hm. Seid ihr Yankees?“
„Nein. Wir sind gute Neu-Mexikaner. Dieser Señor aber ist aus dem Norden.“
„Ich werde fragen.“
Die Alte machte das Loch wieder zu.
„Sapperment!“ lachte der Yankee. „War das etwa eure ‚Taube des Urwalds‘?“
„Spottet nicht. So häßlich dieses alte Weib ist, so schön ist die ‚Taube‘.“
„Wenn sie nur auch gastfreundlicher ist!“
„Keine Sorge. Wir werden sicherlich aufgenommen.“
Der Führer hatte recht. Bereits nach kurzer Zeit öffnete die Alte das Tor und sagte:
„Reitet hier herein, geradeaus bis in den Hof.“
Die Reisenden folgten dieser Weisung. Im Hof saß ein Indianer zu Pferd. Er tat so, als ob er sich gar nicht um sie kümmere, nahm sie aber heimlich sehr scharf in Augenschein. Als sie abgestiegen waren, trat ihnen ein Mann aus dem Treppeneingang entgegen, grüßte und fragte in ziemlich schlechtem Englisch: „Ihr wollt hier übernachten, Señores?“
„Ja.“
„Darf ich vielleicht um euren werten Namen bitten?“
Der Yankee gab zur Antwort: „Ich heiße Leflor.“
„Woher?“
„Aus Wilkinsfield drüben in Arkansas.“
„Sapperment! Ist das möglich?“
„Möglich? Wieso? Es ist sogar wirklich. Wie kommt es, daß Ihr Euch so sehr darüber wundert, daß ich aus diesem Ort bin?“
„Weil der Herr dieses Hauses von ebenda her ist.“
„Alle Teufel! Wie heißt er?“
„Wilkins.“
Der Yankee erbleichte. Er war ja jener Leflor, der Wilkins aus seiner Pflanzung vertrieben, später nach ihm gesucht, ihn aber niemals gefunden hatte. Er
Weitere Kostenlose Bücher