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61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: 61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Die Farbauswahl war beschränkt, dafür waren die Preise selbst für Schuhe billig. Reacher begann ganz unten mit wasserdichten schwarzen Stiefeln. Dann machte er mit Oberbekleidung weiter. Hatte er die Wahl, entschied er sich wie immer für Olivgrün oder Blau. Olivgrün, weil er in der Army gewesen war; blau, weil eine Frau ihm einmal erzählt hatte, es betone seine blauen Augen. Diesmal nahm er olivgrüne Sachen, weil sie am besten zu dem geliehenen beigen Parka passten. Er wählte eine Hose mit Flanellfutter, ein T-Shirt, ein Flanellhemd und einen dicken Baumwollpullover. Dazu kamen weiße Unterwäsche und schwarze Handschuhe sowie eine khakifarbene Wollmütze.
    Alles zusammen kostete hundertdreißig Dollar, aber weil Reacher bar zahlte, gab der Ladenbesitzer sich mit hundertzwan zig zufrieden. Bei vermutlich vier Tagen Tragezeit waren das dreißig Dollar am Tag. Also über zehntausend Dollar im Jahr nur für Kleidung. Verrückt, würden manche sagen. Aber Reacher gefiel dieser Stil. Er wusste, dass die meisten Leute weit weniger als zehn Riesen im Jahr für Klamotten ausgaben. Sie hatten ein paar gute Sachen, die sie in Schränke hängten und in Kellern wuschen. Aber die Kleiderschränke und Waschmaschinen waren von Häusern umgeben, und ein Haus zu kaufen oder zu mieten, zu unterhalten und zu versichern, kostete weit mehr als zehn Riesen pro Jahr.
    Wer war also in Wirklichkeit verrückt?
    Er zog sich in der Umkleidekabine um und stopfte sein altes Zeug in die Abfalltonne hinter dem Ladentisch. Dann setzte er die Mütze auf und zog sie sich über die Ohren. Anschließend klappte er die Kapuze des geliehenen Parkas darüber und zog den Reißverschluss hoch. Er schlüpfte in die Handschuhe und trat auf den Gehsteig hinaus.
    Und fror trotzdem.
    Die Luft war eisig wie in einer Kühlzelle. Er spürte sie im Magen, in den Rippen, den Beinen, am Hintern, in den Augen, im Gesicht, in der Lunge. Wie zur schlimmsten Zeit in Korea, aber damals war er jünger gewesen und von der Army hingeschickt und dafür bezahlt worden. Dies war etwas anderes. Schneeflocken tanzten und wirbelten um ihn herum. Der auffrischende Wind ließ sein Gesicht brennen. Seine Nase begann zu laufen. Seine Augen tränten heftig. Er musste immer wieder Schutz in Hauseingängen suchen. So verwandelte sich der zehnminütige Rückweg zur Polizeistation in eine zwanzigminütige Odyssee.
    Als er eintraf, herrschte dort völliges Chaos.
    11.55 Uhr.
    Noch vierzig Stunden.
    Die Hälfte aller Telefone der Polizeistation schien zu klingeln. Der Alte am Empfang hielt zwei Hörer in den Händen und sprach in beide gleichzeitig. Peterson befand sich allein im Bereitschaftsraum. Er stand hinter seinem Schreibtisch, einen Telefonhörer mit baumelndem Spiralkabel zwischen Kopf und Schulter eingeklemmt, und gestikulierte mit beiden Händen. Machte dabei knappe, energische Bewegungen, als läge die Stadt Bolton auf seinem Schreibtisch wie auf einer Karte vor ihm.
    Reacher sah und hörte zu. Die Situation erklärte sich von selbst. Dazu brauchte man kein Genie zu sein. An einer Person war ein Schwerverbrechen verübt worden, und Peterson entsandte Leute zum Tatort, während er gleichzeitig sicherstellte, dass alle sonstigen Verpflichtungen weiter erfüllt wurden. Der Tatort schien am rechten Schreibtischrand zu liegen, also vermutlich im Osten von Bolton. Die Verpflichtungen lagen leicht südwestlich der Stadtmitte, wo Janet Salter wohnen musste. Die gefährdete Zeugin. Peterson setzte dort mehr Leute ein als am Tatort, was bedeuten konnte, dass er angemessen vorsichtig oder das Opfer am Tatort schon nicht mehr zu retten war.
    Oder beides.
    Einige Minuten später beendete Peterson das Gespräch und legte auf. Er wirkte sorgenvoll. Dem Polizeialltag ist er gewachsen, aber bei allem anderen kommt er leicht ins Schwimmen. Er sagte: »Wir haben einen Mann aufgefunden, der in seinem Wagen erschossen worden ist.«
    »Wer?«
    »Dem Kennzeichen nach ein Anwalt aus einem benachbarten County. Er hat fünf Mandantenbesprechungen im Gefängnis gehabt. Alle seit der Verhaftung des Bikerbosses. Wie Sie gesagt haben. Er war ihr Kurier. Und jetzt steht ihr Plan. Also machen sie Hausputz und sorgen dafür, dass die Beweiskette unterbrochen wird.
    »Noch schlimmer«, meinte Reacher.
    Peterson nickte. »Ja, ich weiß. Ihr Mann ist nicht hierher unterwegs. Wir haben ihn verpasst. Er ist schon hier.«

13
    Peterson versuchte zweimal, den Bereitschaftsraum zu verlassen, und musste zweimal

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