80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
zubereitet und dann eingefroren«, sagte sie stolz.
Das Gemüse stammte aus dem von meinem Vater sorgsam gehegten Garten und das Fleisch von einem Bauern vor Ort. Offenbar hatte Dad ein paar Lkw-Reifen gegen ein ganzes Rind eingetauscht, das nun in handliche Stücke zerlegt in unserer großen Gefriertruhe im Schuppen lagerte.
Zum Essen tranken wir L & P-Limonade und Speight’s Bier, zum Nachtisch gab es Hokey-pokey-Eis zu selbst gemachten Apfelkrapfen und danach Pineapple Lumps, mein liebstes Schokoladenkonfekt. Als ich aufstand, um Salz und Pfeffer zu holen, sah ich, dass sich gleich drei verschiedene Sorten Toastbrot von Vogel’s in der Vorratskammer stapelten.
»Wir wussten nicht, welches du am meisten vermisst«, sagte Mum. »Da haben wir einfach mehrere besorgt.«
Ihr Blick verschleierte sich, aber sie lächelte tapfer weiter.
»Das kann ich doch bis zu meiner Abreise gar nicht alles essen«, protestierte ich.
»Das schaffst du schon«, erwiderte sie. »Dafür werde ich sorgen.«
»Ich muss in New York nicht hungern, Mum.«
»Aber niemand kocht so wie deine Mutter, oder?«
»Nein, das stimmt«, sagte ich und drückte ihr im Vorbeigehen die Schulter.
Ben bewahrte mich vor weiteren Schnippigkeiten. Und ich wusste ja, dass ihre übertriebene Fürsorge nur ein Zeichen für ihre Sehnsucht nach mir war.
»Also, Schwester, erzähl uns vom Leben in der großen Stadt. Wie ist es, berühmt zu sein? Hast du deine eigene Garderobe?«
Ich lachte. »Nein, es ist längst nicht so glamourös, wie es klingt. Ich trete gern auf, aber von den Hotels und dem Leben aus dem Koffer habe ich allmählich die Nase voll.«
»Vom Leben aus dem Koffer?«, sagte Fran. »Das klingt doch wie für dich gemacht. Du kommst wahrscheinlich nicht mehr auf Dauer zurück nach Hause, oder?«
»Irgendwann schon.«
Nun half mir Mr. van der Vliet aus der Verlegenheit. »Wo spielst du als Nächstes?«
»Ich habe zum Glück erst mal eine ganze Woche frei. Dann fange ich im Süden an und arbeite mich nach Norden hoch. Also Christchurch, Wellington, Auckland. Nach dem letzten Konzert fliege ich gleich am nächsten Tag nach Melbourne und von dort nach Sydney. Ich bin aber immer nur ein paar Tage in jeder Stadt, mache also nur Stippvisiten. Dort spiele ich dann bei allen erdenklichen Gelegenheiten mit dem Orchester vor Ort zusammen – das gehört zur Abmachung, damit es sich rechnet –, wir werden ja auch eine Menge Zeit mit Proben verbringen müssen.«
Fran lachte auf und stieß mich in die Rippen. »Bei allen erdenklichen Gelegenheiten«, prustete sie mit nachgeahmtem britischen Akzent. »Hört euch das an! Seit wann bist du denn so vornehm?«
Einer der Hunde in der Ecke bellte seine Zustimmung.
Doch Mr. van der Vliet ignorierte beide. »Die lassen dich ganz schön ackern, was?«
»Ja, schon. Aber ich weiß, was für ein Glück ich habe. Die meisten Geiger können davon nur träumen.«
»Ich habe gelesen, dass du jetzt unter dem venezolanischen Dirigenten Lobo spielst?«
»Ja. Simón ist toll.«
»Wirst du gerade rot?«, fragte Fran und musterte mich eingehend. »Was läuft zwischen dir und dem Dirigenten? Los, erzähl uns alles.«
»Nichts. Ganz im Ernst. Wir sind nur Freunde.«
»O Gott, zieh bloß nicht nach Südamerika.« Meine Mutter schlug entsetzt die Hände vors Gesicht. »New York ist schon weit genug.«
»Von Venezuela ist es nicht so weit nach Neuseeland wie von New York, Mum. Aber keine Sorge, ich ziehe da nicht hin.«
»Mit wem wohnst du denn in New York zusammen? Hast du ein Zuhause, wo du hingehen kannst, wenn du mal nicht spielst?«
»Ich habe mit einem kroatischen Paar zusammengewohnt, beide Bläser in unserem Orchester. Aber bei Tourneebeginn bin ich ausgezogen. Jetzt penne ich bei Freunden und wasche meine Wäsche im Waschsalon, wenn ich mal in der Stadt bin, was selten genug vorkommt.«
Dabei starrte ich auf meinen Teller. Dieses Gespräch wurde immer ungemütlicher für mich. Keine Ahnung, warum ich ihnen nichts von Dominik erzählen wollte. Ich hätte ja einfach erwähnen können, dass wir liiert waren, ohne zu ergänzen, wie sehr es mir gefiel, wenn er mir die Hände auf dem Rücken fesselte oder mir beim Vögeln sanft den Hals zudrückte. Auch andere Leute diskutierten die Details ihres Liebeslebens nicht in Gesellschaft, selbst wenn sie nichts Perverseres taten, als es am Fußende des Bettes zu treiben.
Mein Vater sprach den ganzen Abend kaum ein Wort, doch sein strahlendes Lächeln schwand nicht
Weitere Kostenlose Bücher