9 Stunden Angst
passieren soll. Das war alles Teil meiner Reise. Aber es geht hier nicht um meine Familie oder meine Erziehung.« Er sah George an, und diesmal hielt er seinem Blick stand. »Hier geht es um ein Opfer, das gebracht werden muss, George. Um sonst nichts.«
13.06 Uhr
MI5-Zentrale, Thames House
Wie konnte etwas, das sich so richtig angefühlt hatte, plötzlich so falsch sein? Die ständigen Telefonkonferenzen mit dem Krisenkomitee waren eine einzige Qual. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich derart schuldig gefühlt. Das würde ihm Hooper büßen. Dieser Dreckskerl gefährdete seine Karriere. Howard musste die Sache zu einem glimpflichen Abschluss bringen, auf welche Art auch immer. Es hatte ein Triumph für den Inlandsgeheimdienst und für ihn als Leiter der Behörde werden sollen. Die Presse hätte sich mit Begeisterung darauf gestürzt, und der MI 5 unter der Führung seines dynamischen neuen Generaldirektors hätte glänzend dagestanden. Der Innenminister und mit ihm die gesamte Regierung hätten sich im Abglanz des Ruhms sonnen können, und alle hätten gewusst, wem sie diesen zu verdanken hatten. Die Bürger hätten sich wieder sicher gefühlt in ihrem Land. Vielleicht wäre Howard sogar von der Queen zum Ritter geschlagen worden.
Doch dann waren am Morgen Hoopers Neuigkeiten eingetroffen: eine U-Bahn, die in einem Tunnel zum Stehen gekommen war, genau wie er es vorhergesagt hatte. Der richtige Ort, die richtige Uhrzeit, der richtige Ablauf, bis auf ein kleines Detail: Das Ganze kam eine Woche zu früh.
Hooper hatte geäußert, er könne nicht mit Sicherheit sagen, ob der Vorfall Tommy Dennings Werk sei, da er keine Vorabinformationen von Simeon Fisher – dem eingeschleusten Spitzel – erhalten habe. Eine Bestätigung werde es erst geben, wenn die Entführer Forderungen stellten. Am Morgen hatte immer noch die winzige Chance bestanden, dass das Ganze ein Zufall war, dass der Fahrer lediglich einen Herzinfarkt erlitten hatte oder anderweitig versehrt war. Berriman hatte zu Gott gebetet, dass es nur das war. Alles, bloß nicht Denning, der eine Woche zu früh dran war.
Doch noch während er sich an diese Hoffnung geklammert hatte, war ihm klar gewesen, dass sie sich nicht erfüllen würde. Und tatsächlich: Auf den verdammten Internetbildern aus dem Zug war Denning zu sehen gewesen, wie er seinen religiösen Wahnsinn vom Stapel ließ. Wenigstens hatte er nicht erwähnt, dass der Geheimdienst einen Spitzel in seine Glaubensgemeinschaft eingeschleust hatte. Vielleicht wusste er es ja gar nicht? Diese Hoffnung war absurd, auch darüber war sich Berriman im Klaren. Warum hätte Denning sein Vorhaben eine Woche zu früh in die Tat umsetzen sollen, wenn er nicht Lunte gerochen hätte?
Die Medien würden zweifellos versuchen, das Ganze als »Schwarze Operation« darzustellen, als gegen geltendes Gesetz verstoßende verdeckte Geheimdienstaktion, aber das würde ihnen nicht gelingen. Alles, was man ihm und Hooper nachweisen konnte, war ein kleiner Wissensvorsprung. Sie hatten Denning überwachen lassen, jedoch keine konkrete Kenntnis von seinem Plan gehabt. Vielleicht kamen sie damit durch. Sie waren vorsichtig gewesen, es gab keine schriftlichen Beweise. Und bis auf Hooper gab es auch keine Verbindung zu ihm, Howard Berriman.
Als er in die Schreibtischschublade griff, um noch zwei Nurofen gegen den Ischiasschmerz auf der Rückseite seiner Beine zu nehmen, klingelte das Telefon. Es war Hooper.
»Mark.«
»Ich habe Ed Mallory neben mir stehen. Er möchte Sie dringend sprechen.«
»Gut, geben Sie ihn mir.«
Ed Mallorys Ruf als einer der besten Verhandlungsführer des Landes beruhte auf seiner Fähigkeit, durch aktives Zuhören psychologische Profile von Zielpersonen zu erstellen. Seiner Blindheit verdankte er eine erhöhte Sensibilität für Sprachmuster und Ausdrucksweisen. Würde er merken, dass Berriman log? Hatte er es vielleicht schon bei ihren früheren Gesprächen gemerkt?
»Hallo, Ed.«
»Ich wollte Ihnen mitteilen, dass die Verhandlungen mit Tommy Denning praktisch beendet sind. Uns bleibt keine Möglichkeit mehr, ihn verbal zu beeinflussen und von seinem Vorhaben abzubringen. Jetzt können die Passagiere nur noch durch den schnellen Zugriff von Sondereinsatzkräften befreit werden.«
»Ich habe bereits mit Major Burroughs gesprochen, dem Kommandeur der Sondereinheit. Unter den derzeitigen Umständen wird er auf keinen Fall seine Männer in den Tunnel schicken. Es wurde schließlich explizit
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