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9 Stunden Angst

9 Stunden Angst

Titel: 9 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kinnings
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widersprechen. Sie hatte ja recht. Als Mitglied des Verhandlungsteams, das einen Amtseid geleistet hatte, musste er den Anweisungen folgen und sich zum Ort des Geschehens begeben. Dort würde er sitzen und abwarten, während das andere Verhandlungsteam vergeblich versuchen würde, Kontakt zu Tommy Denning aufzunehmen. Doch die Information, dass Conor Joyce ganz in der Nähe war, ließ ihm keine Ruhe. War ein Amtseid wirklich wichtiger als derart viele Menschenleben? Nein, er wusste, dass er nicht tun konnte, was von ihm erwartet wurde, weil sonst sämtliche Insassen des Zuges sterben würden.
    »Geht klar, Laura. Wir sind schon unterwegs.«
    Er hörte, wie die anderen ihre Sachen zusammenpackten und zur Tür gingen. Es gelang ihm, Nick Calvert die Hand auf den Arm zu legen, damit er sich ein wenig zurückfallen ließ. Nachdem Ed sich durch angestrengtes Lauschen vergewissert hatte, dass niemand mehr im Raum war, sagte er zu Calvert: »Sie müssen mir helfen.«
    »Scheiße, Ed, das können Sie doch nicht ernst meinen.«
    »Ich will ihn nur treffen und mit ihm reden.«
    »Warum?«
    »Weil ich aus seinem Mund hören will, dass es nicht geht. Das ist alles. Du musst mich sofort nach Camden bringen. Wir behaupten einfach, dass wir auf dem Weg zum Leicester Square im Stau stecken geblieben sind.«
    »Ed, das könnte mich meinen Job kosten.«
    »Unter normalen Umständen wäre mir das Argument genug, um einen Rückzieher zu machen, Nick, aber nicht heute. Es steht zu viel auf dem Spiel. Wenn eine Sprengung unmöglich ist – und das ist mehr als wahrscheinlich –, kannst du mich zum Leicester Square fahren, und dann setzen wir uns hin und warten ab, bis alle ertrunken sind.«
    »Ed …«
    »Sie werden mir helfen, Nick. Ich weiß, dass Sie mir helfen werden. Das höre ich an Ihrer Stimme.«
    Calvert lachte resigniert auf. »Ach, Scheiße. Also gut: Ich fahre Sie hin, damit Sie mit ihm reden können. Aber das war’s dann.«
    »Ich möchte, dass Frank Moorcroft mitkommt und sonst niemand.«
    »Herrgott, Ed, Ansprüche stellen Sie gar nicht, oder? Wie soll ich denn das hinkriegen, dass nur wir drei in einem Auto sitzen?«
    »Keine Ahnung. Wir lassen uns was einfallen.« Ed war mit seinen Gedanken bereits woanders. Das Wort »Auto« hatte eine Erinnerung in ihm ausgelöst. Seit er beim Gespräch mit Tommy die verzweifelte Frauenstimme im Hintergrund gehört hatte, war sie ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Sie hatte etwas von »Kofferraum« gerufen. Jetzt ging ihm ein Licht auf. Die Frau war Maggie Wakeham, die Frau des Zugführers! Niemand wusste, was mit ihren Kindern passiert war. Tragischerweise hatte sich bisher niemand die Mühe gemacht, nach ihrem Schicksal zu forschen.
    Während Ed sich von Calvert hinausführen ließ, sagte er: »Ich glaube, ich weiß jetzt, wo die Kinder des Zugführers sind.«
    13.27 Uhr
    Zug Nummer 037 der Northern Line, erster Waggon
    »Sie müssen mir zuhören, Tommy: Was Sie heute getan haben, war nicht Ihre Schuld. Sie sind krank, Sie brauchen Hilfe. Wenn Sie uns gehen lassen, werden die Behörden dafür sorgen, dass Sie in ärztliche Behandlung kommen. Und sobald es Ihnen besser geht, können Sie das Krankenhaus verlassen und Ihr Leben weiterführen. Sie können heiraten und Kinder kriegen.«
    »Klingt nett.«
    »Na los, Tommy, legen Sie die Waffe weg und lassen Sie uns gehen.«
    Denning hatte die Taschenlampe mit einem Stück Schnur am Handlauf des Waggons befestigt. Der Lichtkegel fiel auf das plätschernde Wasser, das ihnen inzwischen bis zu den Oberschenkeln reichte, und ließ Lichtreflexe an der Decke tanzen. Tommy stand knapp außerhalb des Lichtstrahls, aber es war hell genug, dass George erkennen konnte, wie er die Waffe hob und eine weitere Salve in den fünften Waggon abfeuerte. Verzweifelte Schreie drangen zu ihnen herüber. Die Kugeln trafen auf Metall und verursachten scheppernde Geräusche. George dachte an Maggie, die irgendwo jenseits der Verbindungstüren in der Dunkelheit kauern musste.
    »Hören Sie, wie sie schreien, George. Hören Sie sich das an.«
    George musste nicht erst auf das Geschrei aufmerksam gemacht werden, es quälte ihn ununterbrochen. Rufe der Verzweiflung, lautes Kreischen, manisches Gebrüll, Schluchzen, Gebete, weinende Kinder.
    »Das muss nicht so sein, Tommy. Lassen Sie Maggie gehen. Erlauben Sie ihr, die Kinder zu retten.«
    Denning bewegte sich wie ein Schatten durch die Dunkelheit. George hätte seinen Worten gerne mehr Nachdruck verliehen, indem

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