9 Stunden Angst
Stirn und schien angestrengt nachzudenken. Ed wartete mit einem flauen, zittrigen Gefühl im Magen.
»Ich habe die Bomben damals nicht selbst gezündet. Das ist Ihnen hoffentlich klar?«
Streng genommen war Ed das keineswegs klar. Er hegte den Verdacht, dass Conor seine aktive Rolle bei den Bombenattentaten der IRA verdrängt hatte. Wenn er auf diese Weise besser mit der Vergangenheit klarkam, hatte Ed nichts dagegen. Jetzt waren andere Dinge wichtiger.
»Ich habe nur den Sprengstoff besorgt. Ihr habt mir das nie geglaubt, aber es ist so. Meine Rolle war die eines Mittelsmanns, eines Dealers, wenn Sie so wollen. Ich habe eine ungefähre Ahnung, wie man das Zeug zum Explodieren bringt, mehr nicht.«
Ed war sich sicher, dass Conor mehr Expertise besaß, als er zugeben wollte, vermied allerdings jede weitere Diskussion, weil er Joyce nicht von der Entscheidungsfindung ablenken wollte.
»Außer Ihnen fällt mir niemand ein, den ich fragen könnte.«
»Und das ist auch sicher keine Falle?« Der feindselige Tonfall war zurückgekehrt. »Nach dem Motto: Ich besorge Ihnen Sprengstoff, und Sie sperren mich dafür ein?«
»Nein. Ich gebe Ihnen mein Wort.«
»Und das soll etwas gelten, oder wie?«
»Momentan ist es alles, was ich zu bieten habe.«
Conor seufzte. »Okay. Versuchen wir es. Aber nur, weil ich heute nichts anderes vorhabe.«
13.33 Uhr
Parkplatz des U-Bahnhofs Morden
Der Gedanke an die Kinder schnürte ihm die Luft ab. Die Vorstellung, dass sie im Kofferraum eines Autos in der Hitze schmorten und langsam daran zugrunde gingen, war entsetzlich. Als er fünf oder sechs Jahre alt gewesen war, hatte ihn seine Schwester einmal in einen Schrank gesperrt, und die geschätzten zwanzig Minuten, die er darin festgesessen hatte, waren ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen. Er hatte die traumatische Erfahrung bis heute nicht vergessen. Die Hitze, die Dunkelheit, die Panik, dass er für immer in der Enge des Schrankes bleiben musste, nie wieder frische Luft atmen durfte, nie wieder frei sein würde. Während der ersten Minuten seiner Gefangenschaft hatte er geschrien und gejammert, doch dann war er verstummt, gelähmt vor Angst. Wenn die Kinder des Zugführers sich genauso verhielten, würde er sie niemals finden.
Mit hängenden Armen ging er langsam an den Autoreihen entlang und lauschte auf jedes Geräusch. Kinderstimmen, Klopfgeräusche, Fußtritte. Die Kleinen würden Durst haben nach der Tortur, die sie erlitten hatten. Er würde ihnen etwas Kaltes zu trinken kaufen. Auch er hatte schon wieder Durst. Die Kinder würden Angst haben und wissen wollen, was mit ihren Eltern passiert war. Sie würden Trost brauchen.
Eine Reihe nach rechts, die nächste wieder nach links. Wieder eine Reihe nach rechts und dann um die Ecke. Sie mussten hier irgendwo sein. Wenn die Polizei sie bereits gefunden hätte, wäre ihm das sicher aufgefallen, doch bis auf zwei Revierpolizistinnen, die am Eingang zum U-Bahnhof standen und gelangweilt vor sich hin stierten, waren weit und breit keine Uniformierten zu sehen.
Waren die Kinder vielleicht vor lauter Hitze in Ohnmacht gefallen? Waren sie zu verängstigt, um die Außenwelt durch Schreie auf sich aufmerksam zu machen? Die armen Kinder. Auch für dieses Verbrechen würde sich Tommy Denning verantworten müssen.
Während Alistair zu einer neuen Runde um den Parkplatz aufbrach und dabei angestrengt auf jedes Geräusch und jede Bewegung achtete, blickte er sich nervös um. Er hielt sich seit Stunden auf dem Gelände vor dem U-Bahnhof auf und hatte Angst, dass Polizei oder Sicherheitspersonal auf ihn aufmerksam wurde. Varick hatte ihm erzählt, dass ganz London mit Überwachungskameras ausgestattet war. Er beschloss, den Parkplatz fürs Erste zu verlassen und sich in dem Eckladen, in dem er bereits zweimal gewesen war, eine weitere Flasche Wasser zu kaufen. Auf einem Regal hinter der Ladentheke stand ein kleiner tragbarer Fernseher, und auf dem Bildschirm war ein etwas unscharfer Film von Tommy Denning zu sehen, wie er in einem U-Bahn-Waggon stand und seine Ansprache an die Welt richtete. Der Nachrichtensprecher erklärte, dass eine WLAN -Verbindung im Tunnel eingerichtet worden sei, um Verhandlungen mit den Entführern zu ermöglichen. Aus diesem Grund seien die Insassen des Zuges in der Lage, E-Mails und Fotos nach draußen zu schicken oder sogar Anrufe zu tätigen. Alistair fiel auf, dass der Nachrichtensender zwar zwischendurch andere Bilder zeigte, aber immer wieder zu Tommys Gesicht
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