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9 Stunden Angst

9 Stunden Angst

Titel: 9 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kinnings
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Kinder habe, versuche er, ihnen ein möglichst guter Onkel zu sein, und im letzten Jahr habe Jasmine, die Jüngste, an Weihnachten eine richtige kleine Musical-Show aufgeführt. Ed tat alles, um nicht erklären zu müssen, warum sie vor einem Bahnbogen am King’s-Cross-Bahnhof standen und warteten.
    Er wurde unterbrochen, als Calvert plötzlich sagte: »Er kommt mit einem alten Pappkarton zurück zum Auto. Scheiße, jetzt packt er den Karton in den Kofferraum.« Ed hörte, wie Conor den Kofferraum zuknallte, die Beifahrertür aufmachte und sich ins Auto setzte. Ed, dessen Geschichten von den Kindern seines Bruders ihren Zweck erfüllt hatten, schwieg nun, während Calvert den Motor anließ, das Auto wendete und sich in den Verkehr einreihte.

13.50 Uhr
    Zug Nummer 037 der Northern Line, erster Waggon
    »Wenn es einen Gott gibt, werden Sie dafür in der Hölle schmoren.«
    »Sie wissen ja nicht, was Sie da sagen, George.«
    »Hören Sie auf, mit mir zu sprechen, als wäre ich Ihr Freund. Hören Sie auf, mich George zu nennen. Sie können mich gerne umbringen, aber Ihr Freund werde ich niemals sein.«
    »Sie haben wirklich Mut, das muss ich Ihnen lassen.«
    Das Wasser war inzwischen über Georges Taille gestiegen. Tommy ging es sogar fast bis zur Brust. Alle paar Minuten feuerte er seine Waffe in Richtung zweiten Waggon ab, als würden ihn die entfernt herüberschallenden Verzweiflungsrufe der Passagiere dazu zwingen.
    »Warum begehen Sie nicht einfach Selbstmord und lassen uns in Ruhe?«, fragte George. »Warum müssen wir mit Ihnen sterben? Stecken Sie sich die Knarre in den Mund und drücken Sie ab, dann haben Sie es in einer Sekunde hinter sich.«
    »Warum wollen mich neuerdings eigentlich alle tot sehen?«, fragte Tommy. »Mein ganzes Leben lang haben die Leute alles getan, damit ich am Leben bleibe. In Afghanistan wurde ständig auf meine Kameraden geschossen. Auf mich kein einziges Mal. Aber jetzt wollen plötzlich alle, dass ich sterbe. Das werde ich bald genug tun, keine Sorge.«
    »Machen Sie sich keine Illusionen«, sagte George abfällig. »Die Leute wollen Sie sterben sehen, weil Sie ein psychopathischer Massenmörder und ein riesengroßes Arschloch sind. Sie sind genauso wenig ein Prophet, wie es David Koresh und Jim Jones waren.«
    »Gott vergebe Ihnen, Sie wissen es nicht besser.«
    George stemmte sich gegen die Kette, mit der sein Bein an der Stange befestigt war. Der stechende Schmerz, der ihm das Schienbein hinauffuhr, lenkte ihn von der quälenden Verzweiflung darüber ab, nichts unternehmen zu können.
    »Maggie?«, rief er in die Dunkelheit.
    »Ja, George, ich bin hier.« Sie klang, als wäre sie viel weiter entfernt als nur im nächsten Waggon.
    »Du musst so viele Leute wie möglich zusammentrommeln und den ersten Waggon stürmen. Wenn ihr entschlossen genug seid, schafft ihr es vielleicht, ihn zu überwältigen und umzubringen.«
    »Ja, genau, tun Sie das, Maggie«, rief Denning. »Bringen Sie mir noch mehr Leute. Sobald ich den armen George erschossen habe, kümmere ich mich um sie.«
    »Hör nicht auf ihn, Maggie«, sagte George eindringlich. »Tu es für Sophie und Ben.«
    George erkannte im trüben Licht der Taschenlampe, dass Denning ihn anstarrte und leicht den Kopf schüttelte, wie ein Vater, den das Verhalten eines aufmüpfigen Kindes schwer enttäuscht.
    »Sie wissen genau, dass sie das nicht tun wird. Sie hat Angst, und ihr Mann ist das Einzige, was ihr noch bleibt. Außerdem werden sie sowieso bald hier auftauchen.«
    Er führte den letzten Satz nicht weiter aus, und George weigerte sich, ihm den Gefallen zu tun, näher nachzuhaken. Nach kurzem Schweigen siegte dann doch die Neugier.
    »Sie?«
    »Die Passagiere. Früher haben die Opfer von Geiselnahmen noch brav stillgehalten, wenn man ihnen versprochen hat, dass ihnen nichts passiert, solange sie kooperativ sind. Der United-Airlines-Flug 93 vom elften September hat das für immer geändert. Sie werden kommen und mir an den Kragen wollen. Ich muss bereit sein.«
    Denning nahm die Hand von der Wunde und griff in die Reisetasche, die er sich um den Hals gehängt hatte, damit seine Sachen nicht nass wurden. Das Blut an seinem Arm glänzte im Licht der Taschenlampe. Als er den Arm wieder aus der Tasche zog, hielt er ein halbautomatisches Gewehr in der Hand.
    »Sie sehen, ich bin auf alle Eventualitäten vorbereitet«, sagte er. »Aber was mache ich mit Ihnen? Ihr Geschrei, dass Ihre Frau mir ein paar starke Jungs auf den Hals hetzen

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