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9 Stunden Angst

9 Stunden Angst

Titel: 9 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kinnings
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soll, erweckt ganz den Eindruck, als würden Sie sich nach dem Tod sehnen.«
    »Ich sterbe doch sowieso bald, oder etwa nicht?«
    »O ja, Sie werden sterben und anschließend das ewige Leben erlangen. Anscheinend können Sie es kaum erwarten.«
    George beobachtete, wie Denning seine Waffe auf ihn richtete.
    »Es liegt ganz bei Ihnen. Ich kann Sie jetzt sofort taufen und auf die Reise schicken. Möchten Sie das gerne? Schließlich leiden Sie an Klaustrophobie, nicht wahr? Da sind die zwei oder drei Minuten im Wasser, bevor Ihre Lunge kollabiert, bestimmt nicht angenehm. Vor allem, wenn Sie sich zum betreffenden Zeitpunkt in der falschen Gemütsverfassung befinden. Als besonderes Zugeständnis, und weil ich Sie mag, biete ich Ihnen die Option, ein wenig früher zu gehen. Also, was ist?«
    Wofür hätte George noch weiterleben sollen? Vor ihm lagen nur weitere Minuten voller Panik und Schmerz, in denen er wusste, dass er sterben würde, und machtlos war, irgendetwas dagegen zu unternehmen, Minuten, in denen ihn das Wissen quälte, dass er die Tragödie vielleicht hätte verhindern können, wenn er mehr gekämpft und andere Entscheidungen getroffen hätte. Am Ende wartete der Tod durch Ertrinken auf ihn, eine Vorstellung, die ihm immer schon Angst gemacht hatte.
    Warum also nicht gleich diese Welt verlassen? Er war ein Feigling, das wurde ihm jetzt überdeutlich bewusst. Warum sollte er nicht auch sterben wie ein Feigling? Er würde sich ausnahmsweise für den leichtesten Weg entscheiden und sein armseliges Leben hinter sich lassen.
    »Sie müssen es nur sagen, George. Ich weiß, dass Sie es wollen.«
    »Er will es nicht!«, schrie Maggie aus dem angrenzenden Waggon.
    »Hören Sie nicht auf sie. Sie wird versuchen, Sie umzustimmen.«
    »George! Wenn wir schon sterben müssen, dann wenigstens gemeinsam.«
    »Sehen Sie? Ich habe Sie gewarnt. Ignorieren Sie sie. Ich bin bereit, Ihnen einen großen Gefallen zu tun.«
    » George. « Diesen Tonfall hatte er schon tausend Mal von Maggie gehört. Er bedeutete: Wag es ja nicht!
    »Also, was sagen Sie? Ein kurzes Krümmen meines Fingers, und alle Schmerzen liegen hinter Ihnen. Wie nach einer süßen kleinen Pille, nur schneller.«
    »Ficken Sie sich ins Knie!«
    Denning senkte das Gewehr und gluckste in sich hinein.
    »Was ist denn so lustig?«
    » Sie sind lustig, George. Zum Totlachen. Glauben Sie wirklich, ich hätte Sie erschossen? Selbst wenn Sie mich auf Knien darum angefleht hätten, hätte ich Sie nicht erlöst. Wie oft soll ich es Ihnen denn noch sagen? Sie werden mich bis zum Schluss begleiten.«
    13.55 Uhr
    Zug Nummer 037 der Northern Line, fünfter Waggon
    Hugh Taylor, seines Zeichens Kolumnist für Verbraucherthemen, hatte sein Sportsakko schon lange ausgezogen. Jetzt watete er durch das Wasser auf die Türen zwischen viertem und fünftem Waggon zu. Die Displays von Handys, Tablet-Computern und Laptops leuchteten ihm den Weg. Zum ersten Mal seit Stunden herrschte unter den Fahrgästen am hinteren Ende des Zuges ein Gefühl der Hoffnung. Alle wussten, dass eine Gruppe von Passagieren den Versuch unternehmen wollte, den Zug zurückzuerobern. Hugh war nicht nur einer dieser Passagiere, er war sogar ihr Anführer.
    Er hatte keine Ahnung, wie es dazu gekommen war. Sein ganzes Leben lang hatte er sich ausgeschlossen gefühlt, ein Außenseiter, ein Zuschauer, ein Nerd, eine Lachnummer, und jetzt war er plötzlich zum Mannschaftskapitän avanciert. Es war ein absurdes, unwirkliches Gefühl, auch wenn sich seine Furcht sehr real anfühlte. Er hatte große Angst. Nicht so sehr vor dem Tod, denn er hatte sich mittlerweile damit abgefunden, dass er wahrscheinlich an diesem Tag sterben würde, sondern davor, dass er sich wieder in den Mann zurückverwandelte, der er seit siebenundvierzig Jahren war. Das wollte er auf keinen Fall, denn er genoss sein neues Ich in vollen Zügen. Hugh 2.0. Genau so wollte er sein, und sei es nur für die letzten Minuten seines Lebens. Er glaubte an das Schicksal. Vielleicht bestand sein Schicksal ja darin, den Heldentod zu sterben.
    Die Auswahl seiner Teammitglieder war ihm nicht schwergefallen. Er hatte sämtliche Mitstreiter akzeptiert, die sich freiwillig gemeldet hatten. Das waren nicht viele, aber es kam nicht in Frage, den anderen Fahrgästen Schuldgefühle einzureden und sie dadurch zum Mitmachen zu bewegen. Hugh durfte sich wohl kaum ein Urteil über den Mut oder die Feigheit anderer anmaßen, schließlich war seine letzte Panikattacke noch

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