9 Stunden Angst
der elektronischen Geräte zurückzuführen ist. Die wenigen Nachrichten, die uns noch aus dem Zug erreichen, deuten darauf hin, dass das Wasser rasant steigt.«
»Ist die Rede davon, dass eine Spezialeinheit in den Tunnel geschickt wird?«, fragte Ed.
»Die Unterwasserausrüstung ist angefordert, aber sie wird wohl kaum rechtzeitig eintreffen, zumal immer noch keine Genehmigung vom Komitee vorliegt. In der Verhandlungszelle wird übrigens Ihr Typ verlangt, Ed.«
»Warum?«
»Sie sind der Einzige, der mit Denning gesprochen hat. Das Team ist der Meinung, dass Sie mit ihm reden sollten, falls es gelingt, ihn wieder ans Funkgerät zu kriegen.«
»Dazu wird es nicht kommen.« Er musste es noch einmal betonen, musste sein neues Team, seine inoffizielle Kriseninterventionsmannschaft, darauf einschwören. »Wenn wir jetzt nicht handeln, passiert nichts, alle sonstigen Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Behalten Sie das bitte im Hinterkopf, wenn Sie mir nun mitteilen, ob Sie mir helfen wollen, oder nicht.«
Im Inneren des Wagens herrschte unbehagliches Schweigen. Die Autopolster knarzten, weil die Männer unruhig auf ihren Sitzen herumrutschten. Der Ire ergriff als Erster das Wort.
»Ich bin dabei.« Da war sie wieder, Conors unerklärliche Begeisterung für die vor ihnen liegende Aufgabe.
»Nun ja, unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände wäre ich ebenfalls bereit, Sie zu unterstützen«, sagte der Professor.
»Ich hasse Sie, Ed Mallory!«, machte Calvert seinem Frust Luft und schlug so heftig mit der Handfläche aufs Lenkrad, dass das ganze Auto wackelte. »Packen wir’s an.«
14.33 Uhr
Zug Nummer 037 der Northern Line, erster Waggon
»Finden Sie nicht, dass London genug gelitten hat? Die letzten U-Bahn-Anschläge sind schließlich noch gar nicht lange her.«
Denning stand neben dem Lichtkegel der Taschenlampe, die am Handlauf baumelte, und starrte ihn an. George sah sein Gesicht gleich zweimal, weil es von der Wasseroberfläche reflektiert wurde. Die plätschernden Fluten gingen ihnen inzwischen bis zu den Schultern.
»London ist die wichtigste Stadt der Welt«, erklärte Denning. »Hier treffen sämtliche Kulturen und Religionen aufeinander. Es ist der perfekte Ort, um mithilfe eines Anschlags einen Krieg auszulösen.«
»Die letzten Anschläge haben keinen Krieg ausgelöst.«
»Diesmal ist es anders.«
»Warum?«
»Weil ich der Initiator bin.«
»Haben Sie eine Ahnung, wie verblendet Sie klingen?«
» Ich bin nicht derjenige, der verblendet ist, George.«
»Es gibt keinen Gott«, erwiderte George. »Der Mensch hat die Religion erfunden, ein primitiver Versuch, sich die Welt zu erklären, bevor es die Wissenschaft gab. Religion ist reiner Aberglaube, ein Relikt aus der Vergangenheit.«
Denning antwortete mit einem zynischen Lächeln. Es fiel George schwer, die Feindseligkeit aus seiner Stimme zu verbannen, aber wenn er eine Chance haben wollte, die Insassen des Zuges und seine Kinder zu retten, durfte er sich nicht von Hass den Verstand benebeln lassen. Er musste einen Schlüssel zu Tommys Psyche finden. Angesichts der Tatsache, dass er sich nicht von der Stange wegbewegen konnte, an die Denning ihn gekettet hatte, waren seine Stimme und sein Verstand seine einzigen Waffen.
»Ihre Eltern haben Sie also verlassen.«
»Nicht dieses Thema schon wieder!«
»Na los, erzählen Sie mir davon.«
»Wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Mein Vater hat meine Mutter am Frühstückstisch erstochen und sich dann in der Garage erhängt.«
»Und was haben Sie getan?«
»Ich habe weiter gefrühstückt.«
»Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Glauben Sie, was Sie wollen. Ihre Meinung ist mir vollkommen egal. Sie können so viel Ketzerei und Blasphemie von sich geben, wie Sie möchten. Jetzt kann nichts mehr den Lauf unseres Schicksals ändern.«
George hatte keine Ahnung, welches genaue Ziel er verfolgte, wusste jedoch instinktiv, dass er das Gespräch am Laufen halten musste. Dennings Stimmung hatte sich verändert. Vielleicht ließ seine Entschlossenheit im Angesicht des Todes nach.
»Wenn Sie die Uhr zurückdrehen könnten, würden Sie dann versuchen, Ihren Vater von seiner Tat abzuhalten?«
»Warum sollte ich?«
»Er hat Ihre Mutter umgebracht. Haben Sie Ihre Mutter denn nicht geliebt?«
»Sie war ganz okay.«
»Wie können Sie so lieblos von Ihrer Mutter sprechen? Jesus hat gepredigt, dass man seine Mutter lieben und ehren soll.« George improvisierte. Er hatte keine Ahnung, ob Jesus jemals
Weitere Kostenlose Bücher